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Arnold Dolmetsch Ein Pionier der Historischen Aufführungspraxis

Nomen est Omen. Ein Dolmetsch ist ein Fürsprecher, Anwalt, Vermittler. Exakt dies war der Mann mit diesem Nachnamen für die Alte Musik in Historischer Aufführungspraxis: Der französische Instrumentenbauer, Musiker und Musikforscher Arnold Dolmetsch - er war ein Pionier der Originalklang-Bewegung.

Arnold Dolmetsch (Aufnahmen von 1925) | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das Stichwort vom 2. Juni 2019

Arnold Dolmetsch

Auf Fotos aus den 1920er Jahren - meist mit einer Laute, Blockflöte oder Fiedel in der Hand - sieht er reichlich "abgefahren" aus: lange, wallende Haare, wuchernder Vollbart, weltverlorener Blick. Man könnte an Ben Gunn denken, an den auf der Schatzinsel ausgesetzten Seemann aus Stevensons gleichnamigem Roman, oder auch an einen fahrenden Straßenmusikanten aus der Fußgängerzone… Geboren wurde Arnold Dolmetsch gut sechzig Jahre zuvor, und zwar am 24. Februar 1858 in Le Mans als Sohn einer französischen Instrumentenbauerfamilie Schweizer Abstammung. Er absolvierte zunächst eine Klavierbauer-Ausbildung, anschließend studierte er Violine bei Henri Vieuxtemps am Königlichen Konservatorium in Brüssel sowie Dirigieren und Komposition am Royal College of Music in London. 1885 wurde er Violinpädagoge am dortigen Dulwich College.

Instrumentenbauer in Boston und Paris

Bereits während des Studiums in London begann sich Arnold Dolmetsch mit Alter Musik zu beschäftigen. Inspiriert durch die historische Instrumentensammlung des British Museum und das Studium handschriftlich überlieferter Gambenstücke des 17. Jahrhunderts, begann er nach alten Vorbildern mit dem Bau von Gamben, später auch mit dem von Clavichorden, Cembali, Lauten und Blockflöten. 1902 ging Arnold Dolmetsch in die USA und arbeitete als Instrumentenbauer bei Chickering & Sons in Boston. 1911 wechselte er zu Gaveau in Paris. 1914 eröffnete er dort eine eigene Werkstatt, die er während des Ersten Weltkriegs - aus Furcht vor deutschen Bombenangriffen - 1917 nach Südengland verlegte.

Ein erstes Zentrum der Originalklang-Szene

Seine neue Heimatstadt Haslemere in der Grafschaft Surrey machte Arnold Dolmetsch zu einem Zentrum der Pflege Alter Musik in Historischer Aufführungspraxis. Mit seinen Schülern, seiner Frau und seinen Kindern formierte er ein Ensemble, das sich der Musik von Willliam Byrd bis Johann Sebastian Bach widmete. 1925 gründete er das "Haslemere Festival of Early Music", 1928 rief er die "Dolmetsch Foundation" ins Leben, die seit 1929 die Alte-Musik-Zeitschrift "The Consort" herausgibt. Daneben profilierte sich Arnold Dolmetsch als Herausgeber von Werken Purcells, Corellis, Händels sowie von anderen alten Meistern. Und er schrieb ein erstes richtungsweisendes, Standard setzendes Buch über die Historische Aufführungspraxis. Es basiert auf alten Traktaten und behandelt alle Fragen von Tempo, Rhythmus, Verzierungskunst und Spieltechnik des historisch informierten Musizierens. "The Interpretation of the Music of the 17th and 18th Centuries revealed by contemporary Evidence" (Die Interpretation der Musik des 17. Und 18. Jahrhunderts, erschlossen durch aktuelle Erkenntnisse), so lautet der Titel des Buches, das 1915 erstmals erschien und später mehrfach wiederaufgelegt wurde. Seine Lektüre ist nach wie vor interessant, instruktiv und inspirierend… Arnold Dolmetsch starb am 28. Februar 1940 in Haslemere.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 2. Juni 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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