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Ars nova Halbieren ist jetzt auch möglich!

Gerader oder ungerader Takt – diese beiden Möglichkeiten bestimmen den Großteil unserer Musik. Während der ars nova wurde noch weitaus mehr experimentiert, wie man Melodien rhythmisch auszieren kann.

Notenhandschrift Guillaume de Machaut | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Stichwort | 10.11.2013

Ars nova

"Von der ars nova, die Philippe de Vitry vor kurzem erfunden hat, will ich folgendermaßen berichten:"

Notiert ein anonymer französischer Musikgelehrter im 14. Jahrhundert und beschreibt eine bedeutende Neuerung in der Notationsgeschichte. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es bereits verschiedene Ansätze, wie man Musik schriftlich festhalten konnte. Nach den Neumen wurden Notenlinien und Notenschlüssel erfunden und auch der Rhythmus wurde immer diffiziler und verlangte nach einer exakteren Schreibweise. Nach der Modal- wurde die so genannte Mensuralnotation entwickelt.

FRÜHE NOTATIONEN

Diese Mensuralnotation ähnelt unserer heutigen Notation in einigen Punkten: es gibt Notenlinien, einen Notenschlüssel und unterschiedliche Notensymbole, die kurze oder lange Noten anzeigen. Taktstriche dagegen finden sich keine.

Die Notenwerte, die wir heute "ganze Note", "halbe Note", "Viertel" und so weiter nennen, tragen in der Mensuralnotation die Namen "Maxima", "Longa", "Brevis", "Semibrevis", "Minima" und "Semiminima". Das Verhältnis von einer ganzen zu einer halben Note ist mathematisch klar ausgedrückt: eine ganze Note ist so lange wie zwei halbe Noten.

Wie sieht es aber aus zwischen einer Longa und einer Brevis?

"In der ars vetus (auch "ars antiqua"“ genannt, das ist die Epoche vor der "ars nova") gilt die Longa vor einer Longa drei Tempora, und ebenso gilt die Brevis vor einer Brevis drei Semibreves, und dies versteht sich im perfekten Modus."

Der perfekte Modus: das meint, eine Note in drei nächst kleinere zu unterteilen, modern ausgedrückt also "triolisch". Und genau diese Dreiteilung ist es, die Philippe de Vitry und seine Mitstreiter aufbrechen.

NEUE RHYTHMISCHE WEGE

"In der ars subtilior" (ein Synonym für "ars nova") "verhält sich die Longa zur Longa aber so, dass sie nur zwei Tempora gilt, wenn eine einzelne Brevis der Longa vorausgeht oder folgt."

Das nun wird als imperfekter Modus bezeichnet. Und von de Vitry und vielen anderen ebenso wie der perfekte Modus in ihren Werken genutzt. Die imperfekte Teilung eines Notenwerts wurde von vielen Zeitgenossen kritisch beäugt, denn die perfekte Teilung, also die Drittelung, wurde oft mit der Dreieinigkeit Gottes begründet.

Mag die Bezeichnung auch negativ klingen, der imperfekte Modus eröffnet den Komponisten nun eine weit größere Palette an rhythmischen Möglichkeiten als sie bisher hatten. Nun steht es einem Komponisten also offen, in einer – modern ausgedrückt – geraden oder ungeraden Taktart zu schreiben.

EINE IDEE WIRD ZUR EPOCHENBEZEICHNUNG

Der Begriff "ars nova" meinte ursprünglich die Idee, eine Note in drei oder neuerdings in zwei kleinere Notenwerte zu unterteilen. Diese Idee war so bahnbrechend, dass der Begriff "ars nova" schließlich auch als Epochenbegriff verwendet wird. Er umfasst die Musik, die in Frankreich im 14. Jahrhundert komponiert wird, eine hoch entwickelte Musik, rhythmisch äußerst diffizil. Die wichtigsten Komponisten waren Philippe de Vitry und Guillaume de Machaut.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 10. November 2013, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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