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Christina Pluhar Österreichische Harfenistin, Lautenistin und Ensembleleiterin

Sie hat an der weltberühmten Schola Cantorum Basiliensis studiert; sie weiß also, wie man seriöses Quellenstudium betreibt. Und doch traut sie sich, darüber hinaus eigene Ideen umzusetzen. Der Erfolg ihres Ensembles L'Arpeggiata gibt ihr Recht.

Christina Pluhar | Bildquelle: © Marco Borggreve

Bildquelle: © Marco Borggreve

Christina Pluhar bringt die Alte Musik zum Swingen. Die in Paris lebende Österreicherin ist die wohl improvisationsfreudigste Musikerin auf diesem Gebiet. Zusammen mit ihrem im Jahr 2000 gegründeten, international besetzen Ensemble L'Arpeggiata verwandelt sie die Festivalbühnen und Konzertsäle für klassische Musik beinahe in Tanzpaläste. Wippende, sich wiegende und tanzende Zuschauer sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel in ihren Konzerten. Diese ungeheure Leichtigkeit des Seins, die sie der Musik des Frühbarocks abgewinnt, wird ihr von Kritik und Publikum gleichermaßen gedankt. Die Preise regnen förmlich auf sie hinab, darunter mehrfach der ECHO Klassik, und ihre Alben werden vielfach gekauft, gehört und geliebt.

"Es ist vor allem sehr harte Arbeit. Wenn das Resultat den Leuten gefällt, ist das nur die Frucht der Arbeit. Es ist nicht, was man sich zum Ziel setzt oder am Anfang erwartet. Und wenn einige CDs heute Kult-CDs geworden sind, die die Leute sich sehr häufig und gern anhören, dann freut mich das wahnsinnig. Aber um so etwas zu erreichen, ist sehr viel Vorarbeit und Denkarbeit nötig und es gibt ständige Zweifel: Mache ich das richtig oder mache ich das falsch?"

KEINE ANGST VOR EIGENEN IDEEN

Das Schlüsselwort für den Erfolg von Christina Pluhar und L'Arpeggiata lautet: Improvisation. Wie in der Jazzmusik, spielt sie auf der Barockharfe oder der Theorbe einen groovenden "Walking Bass", zu dem die Solisten improvisieren. Denn je älter die musikalischen Quellen sind, umso weniger ist notiert. Manchmal nur eine Basslinie oder eine simple Melodie, die so sicherlich nie gespielt wurde. Vor 300, 400 Jahren war es gängige Praxis, dass Musiker improvisierten. Etwas, was Interpreten klassischer Musik heute vielfach verlernt haben und was in der Alten Musik erst langsam wieder erarbeitet werden musste.

"Ich vergleiche das gern damit, wenn man als heutiger Mensch versucht Altgriechisch zu lernen. Da fangen Sie an, und müssen zuerst das Alphabet lernen. Dann machen Sie Übersetzungen. Aber mein Ziel wäre eigentlich, dass man zu einer Perfektion kommt, wenn man eine alte Sprache ausgräbt und für sich lernt, dass man es schafft, im Stil von Homer zu schreiben, zu deklamieren oder zu improvisieren."

DIE RICHTIGEN MITSTREITER

Nach intensivem Quellenstudium mit dem Mittel der Improvisation Alte Musik für Menschen von heute zu spielen. Das ist Christina Pluhars ebenso erfolgreich wie fröhlich vorgetragenes Anliegen. Dafür sucht sie sich Mitmusiker, die genauso neugierig, flexibel und abenteuerlustig sind wie sie. Egal ob das nun der Jazzklarinettist Gianluigi Trovesi ist, das korsische Männerquartett Barbara Furtuna oder der Countertenor Philippe Jaroussky. Puristen Alter Musik ist dieser staubaufwirbelnde Zugang Christina Pluhars oft zu phantasievoll und zu wenig authentisch, doch wer weiß schon wirklich, wie die Musik zu Zeiten Monteverdis wirklich geklungen hat?

"Trotz der ganzen Forschungsarbeit, die ich betrieben habe und die mich wahnsinnig fasziniert, ist es eine sehr persönliche Version von meiner Vorstellung. Da weiß man nie, ob man recht hat oder nicht. Ich mache das natürlich, weil ich denke, ich habe da eine Idee, die in die richtige Richtung geht. Das kann auch irgendwann auch mal widerlegt werden. Das weiß man nie."

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 16 September 2012, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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