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Darmsaite Zentraler Bestandteil historischer Streich- und Zupfinstrumente

Wer hat das noch nicht erlebt in einem Originalklang-Konzert, in dem die Musiker auf Darmsaiten spielen: es wird oft und ausgiebig gestimmt. Das ist ein klarer Nachteil. Ebenso klar aber sind auch die Vorteile der Darmsaiten.

Violine | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Stichwort | 30.05.2010

Darmsaite

Das Schaf zählt zu den ältesten Nutztieren des Menschen. Mit seiner Wolle wärmt es uns, mit seinem Fleisch macht es uns satt und mit seinem Darm bringt es uns Wohlklang. Schon die alten Griechen beherrschten die Kunst, aus Schafsdärmen schwingende und darum klingende Saiten für Musikinstrumente herzustellen.

"Die müssen natürlich erstmal gereinigt werden. Dann werden die mit irgendwelchen Säuren und Aschen behandelt. Sie werden in kleine längliche Streifen geschnitten, wo man dann je nach Dicke eine bestimmte Anzahl von Streifen miteinander verdreht und verwebt. Und dann muss es noch eine Behandlung geben, dass diese frisch verdrehten Saiten auch miteinander verkleben. Dann müssen sie trocknen, und dann werden sie geschliffen." Anne Röhrig

AUFWÄNDIGE HERSTELLUNG

Denn je glatter die Saiten sind, desto besser und schneller gleiten die Finger darüber hinweg, erklärt die Nürnberger Geigenprofessorin Anne Röhrig. Sie ist eine Spezialistin für Alte Musik und benutzt beinahe ausschließlich Darmsaiten, obwohl die viel anfälliger sind als Stahl- oder Kunststoffsaiten, die es schon seit bald hundert Jahren gibt.

"Die klassische Situation ist folgende: Man hat ein Stimmzimmer irgendwo hinter der Bühne, ein angenehm temperierter Raum, fühlt sich da ganz wohl und stimmt sich da ein. Und dann nimmt man seine Geige, betritt die Bühne, der Saal ist voll, die Leute kommen sogar aus dem Regen, außerdem stellen sie das Atmen nicht ein, sondern sorgen dafür, dass die Luftfeuchtigkeit dort erhöht wird. Vielleicht sorgen sie dort auch dafür, dass es wärmer wird da drinnen. Dann hat man gerade seine Geige gestimmt und in der nächsten Viertelstunde macht die schlapp im wahrsten Sinne des Wortes. Also, die Saiten dehnen sich aus aufgrund der Feuchtigkeit und der Temperatur. Und was passiert: sie sacken ab." Anne Röhrig

NACHTEILE: HÄUFIGES NACHSTIMMEN

Das ist übrigens ein Problem, das Geiger, Bratscher, Cellisten, Lautenspieler oder Harfenisten mit Tennisspielern gemeinsam haben. Beim kleinsten Regentropfen muss das darmbespannte Racket ausgetauscht werden. Denn Darmsaiten sind empfindliche Diven. Man muss sie während eines Konzerts häufiger stimmen, sie verlangen eine wesentlich ausgefeiltere Spieltechnik und selbst bei pfleglichster Behandlung können sie einen völlig im Stich lassen.

"Mir ist in einer Radiodirektsendung einmal in Brüssel eine Saite gerissen. Da war ich mit dem Ensemble Cantus Köln unterwegs. Zum Glück hatte ich dann ein Stück Pause. Und dann bin ich cool - ich habe mich über mich selbst gewundert - hinter die Bühne, habe dort schnell eine neue Saite aufgezogen, habe ein wenig drauf rumgekratzt, bin wieder nach vorne gegangen und hab weitergespielt." Anne Röhrig

Da fragt man sich doch, warum der Interpret Alter Musik, und beileibe nicht nur der, die Darmsaiten nicht einfach gegen welche aus Stahl austauscht.

VORTEILE: KLANGSCHÖNHEIT

"Das ist wirklich eine Frage, die man sich manchmal stellt. (lacht) Der Klang einer Darmsaite hat einfach mehr Aura. Der Klang ist nicht, wie die Stahlsaite im Grunde auch schon dünner und drahtiger aussieht: eng und eindimensional. Eine Darmsaite, die hat ein anderes Obertonspektrum, wenn man es physikalisch sagt. Und das sorgt dafür, dass der Klang mehr Weichheit und Rundung hat." Anne Röhrig

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 30. Mai 2010, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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