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Traktat Theoretische Abhandlung zu einem bestimmten Thema

So manch mittelalterlicher Musikgelehrte wäre im Dunkel der Geschichte vergessen worden, hätten nicht seine Traktate die Zeit überdauert. Heute sind die Schriften wichtige Zeugen der Musikhistorie.

Lehrbuch von Johannes Tinctoris | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Die Wissenschaft, die sich mit der Musik auseinandersetzt, ist ein vergleichsweise junges Fach, das sich erst im 19. Jahrhundert herausgebildet hat. Schriftliche Abhandlungen zu musikalischen Themen gibt es aber schon seit der griechischen Antike. Als wichtigste Brücke ins lateinische Mittelalter gelten die Schriften von Boethius, der im 5. und 6. Jahrhundert gelebt hat. In seinem Traktat "De institutione musica" legte er die Grundlagen der mittelalterlichen Musiklehre.

Markierung durch Schlüssel

Viele mittelalterliche Traktate behandeln Fragen der Notation. Diese hat sich im Laufe der Jahrhunderte nämlich wesentlich verändert. Die Notenzeilen und deren Markierung durch Schlüssel beispielsweise hat Guido von Arezzo um die Jahrtausendwende eingeführt. In seinem Traktat "Micrologus de discipila artis musicae" behandelt er auch die Praxis des mehrstimmigen Singens.

Die musica practica und die musica theoretica waren keine streng unterschiedenen Bereiche. Viele Musiktheoretiker des Mittelalters haben sich ihren Platz in den Musikgeschichtsbüchern auch durch eigene Kompositionen gesichert. Philipp de Vitry zum Beispiel, Johannes de Ciconia oder Johannes Tinctoris. Andererseits ist uns in manchen Fällen nicht einmal der Name der Autoren überliefert, wohl aber ihre Abhandlungen zur Musik. Von der mehrstimmigen Musikpflege an der Kathedrale von Notre Dame de Paris im 12. und 13. Jahrhundert wissen wir beispielsweise vor allem dank der Aufzeichnungen eines Theoretikers, der nur als "Anonymus IV" bekannt ist.  

"Getutscht und außgezogen"

In der Regel wurden wissenschaftliche Traktate in lateinischer Sprache verfasst. Erst mit Beginn der Neuzeit entstanden schriftliche Abhandlungen auch in der Volkssprache. Eines der frühen deutschen Beispiele ist die "Musica getutscht und außgezogen" von Sebastian Virdung von 1511. "Getuscht" bedeutet "eingedeutscht", "ausgezogen" meint, dass es sich wohl um einen Auszug aus einem anderen, früheren Werk handelt. Virdungs Traktat ist außerdem das älteste musiktheoretische Werk, das in Druck erschienen ist. Den Buchdruck gab es zu diesem Zeitpunkt seit gut einem halben Jahrhundert. Der erste Notendruck mit sogenannten beweglichen Lettern, der entstand übrigens im Jahr 1501. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 26. November 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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