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Tropus Hinzufügung zu gregorianischen Gesängen

Die Melodien des gregorianischen Chorals zählen zur ältesten Musik, die uns in Europa überliefert ist. Im Mittelalter wurden die alten Gesänge durch Neukompositionen erweitert.

Singende Mönche | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Der Begriff "Tropus" stammt eigentlich aus der Rhetorik und steht dort als Überbegriff für eine Gruppe von rhetorischen Figuren. In der Musik des Mittelalters sind damit Hinzufügungen zu den bestehenden gregorianischen Gesängen gemeint. Die zeitgenössischen Quellen benutzen neben Tropus auch Begriffe wie Prosa, Versus oder Sequentiae. Entsprechend weitgefächert ist auch das Repertoire an Formen, die heute als Tropierungen zusammengefasst werden.

Introitus und Kyrie

Eine Möglichkeit der Hinzufügung besteht in der Textierung von Melismen. Das sind melodische Abschnitte, die auf nur eine Silbe gesungen werden. Der Abt Notker Balbulus beschreibt diese Technik im 9. Jahrhundert als Memorierhilfe beim Einprägen von Melodien, woraus letztlich die Sequenzen entstanden. Streng genommen ist die Gattung der Sequenz also eine Sonderform des Tropus. Es gibt aber auch die Möglichkeit, neue Melodien zum bestehenden Gesang hinzuzufügen. Diese Melodien können sogar eigene Texte mit in das Stück einbringen, die in anderen Sprachen verfasst sind. Tropus und ursprünglicher Gesang können dann gleichzeitig oder hintereinander erklingen. Die am meisten tropierten Gesänge sind Introitus und Kyrie.

Ungern gesehen

Seit dem 9. Jahrhundert war das Tropieren von Gesängen eine übliche Kompositionstechnik zur Erweiterung des gregorianischen Chorals. Ziel war es, die Liturgie dadurch noch feierlicher zu gestalten, etwa an hohen Festtagen im Kirchenjahr. Auch konnten die Hinzufügungen den ursprünglichen Text kommentieren, in einen bestimmten Zusammenhang stellen oder den Zugang durch eine einfachere Sprache erleichtern. Allerdings waren die Neukompositionen von den Kirchenoberen nicht immer gerne gesehen. Schon 845 wurde auf der Synode von Meaux der Versuch unternommen, sie zu verbieten. In der ein oder anderen Form haben sie sich dennoch erhalten, und sei es bloß als vage Erinnerung. Der Titel der noch heute gebräuchlichen Choralmesse "Lux et Origo" zum Beispiel, der rührt vom früheren Kyrie-Tropus dieser Messe her. Zwar wird der Tropus heute in der Regel nicht mehr gesungen, der Messe hat er aber seinen Namen gegeben.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 1. April 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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