Guttenberg in Oberfranken, 29. Juli 1946. Der Dirigent, Umweltschützer und Großgrundbesitzer Enoch zu Guttenberg wird geboren. Ihn einen streitbaren Geist zu nennen, das wäre eigentlich eine Untertreibung – es würde dem Spross einer alten oberfränkischen Adelsfamilie auch nicht gerecht werden. Klare Worte, klare Haltung: das ist der Anspruch, mit dem er durchs Leben geht, ob nun als Dirigent, Geschäftsmann oder als Umweltschützer.
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Enoch zu Guttenberg wird geboren
"Kunst allein reicht nicht, Kunst ist immer Botschaft, ist immer Inhalt", lautete zu Guttenbergs Credo. Weil der damalige bayerische Ministerpräsident Max Streibl nicht an einer Demonstration gegen Antisemitismus teilnehmen will, tritt der Dirigent 1992 aus der CSU aus. 20 Jahre später gibt zu Guttenberg bekannt, dass er den Bund Naturschutz verlassen wird, den er Ende der 70er-Jahre mitgegründet hatte. Er stört sich an der positiven Haltung des BUND zur Windenergie. Zwei Monate vor seinem Tod gibt zu Guttenberg den Preis "ECHO Klassik" zurück, den er und sein Orchester Klangverwaltung 2008 für seine Einspielung von Bruckners Vierter erhalten hatten. Aus Protest darüber, dass die Rapper Kollegah und Farid Bang mit dem Preis geehrt worden waren – trotz ihrer antisemitischen Texte.
Eigentlich sollte er ja Politiker werden, wie sein Vater vor und sein Sohn nach ihm. Doch Enoch zu Guttenberg studiert Musik und schlägt damit einen ganz anderen Weg ein: "Er war sehr schwer, weil meine Familie teilweise massiv dagegen gearbeitet hat", so zu Guttenberg. Viel Zeit bleibt dem jungen Enoch nicht als Kapellmeister – der Vater stirbt, das Familienunternehmen ist angeschlagen, Enoch zu Guttenberg muss das Ruder herumreißen und sich um die Finanzen der Familie kümmern. Aber nicht ausschließlich: "Und dann hab' ich das, was eigentlich früher mein Studentenhobby war, den Neubeurer Chor, damit ich Musik machen konnte, nebenher weitergemacht."
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Enoch zu Guttenberg - Menschen in München
Dieses Hobby-Projekt des ehemaligen Musikstudenten wird zu einem der bedeutendsten Chöre Europas – und Enoch zu Guttenberg, gemeinsam mit der Chorgemeinschaft Neubeuern, zu einem der gefragtesten Dirigenten sakraler Werke. Bekenntnismusiker haben ihn manche Kritiker genannt, einen Ekstatiker am Dirigentenpult. Wie er selbst seinen Chor einschätzt? "Die Qualität der Aussage, die hat Neubeuern doch erheblich von anderen Chören unterschieden, und das hat das Publikum verstanden, deswegen kommt das Publikum auch, wegen der ehrlichen Aussage."
Die ehrliche Aussage – man könnte sie als das Leitmotiv bezeichnen, nach dem Enoch zu Guttenberg sein Leben und sein Schaffen gestaltet. Ob als Dirigent des Orchesters Klangverwaltung, als Intendant der Festspiele Herrenchiemsee – oder eben als Leiter der Chorgemeinschaft Neubeuern. Kurz nach dem Tod von Enoch zu Guttenberg gibt die Chorgemeinschaft ihre Auflösung bekannt: "Wir wollen nicht mit dem verglichen werden, was vorher war". Eine ehrliche Aussage. Dem Bekenntnismusiker, dem Bekenntnismenschen Enoch zu Guttenberg hätte sie sicher gefallen.
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Sendung: "Allegro" am 29. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK