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04. Januar 1829 – Fanny Mendelssohn beginnt ihr Tagebuch Einblicke in ein Künstlerinnenleben

Berlin, 04. Januar 1829. "Mir steht der Anfang meiner zweiten Lebenshälfte bevor", schreibt Fanny Mendelssohn-Bartholdy in ihrer ersten Tagebucheintragung des Jahres 1829. Die zweite Lebenshälfte! Gemeint ist, ihre Zukunft als Ehefrau. Ihre Zukunft als Frau eines Mannes. Eventuell als Mutter, als Dame der Gesellschaft. Nicht aber als das, was sie ist: eine Künstlerin. Eine großartige Pianistin, eine Komponistin, mindestens so begabt und kreativ wie ihr Bruder, eine Dirigentin. Nichts davon scheint ihre neue Rolle für sie vorzusehen. Und Fanny hat Angst.

Fanny Hensel, geb. Mendelssohn, Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1842 | Bildquelle: picture-alliance / akg

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Das Kalenderblatt zum Anhören

In der Kindheit, da ist Fanny dem Bruder noch annähernd gleichgestellt, zumindest was ihre musikalische Ausbildung betrifft. Künstlerisch sind sie sich gegenseitig der kompetenteste Ansprechpartner. Dann aber macht der Vater klar, dass der Weg eines vollwertigen Musikers mit öffentlichen Auftritten womöglich sogar gegen Honorar oder das Herausgeben eigener Werke, noch dazu unter eigenem Namen für eine erwachsene, verheiratete Frau nicht in Frage kommt. Das ist hart. Härter aber ist noch, dass Fannys Bruder Felix mitzieht. Auch er will das Talent seiner Schwester einsperren. Obwohl er doch weiß, was sie kann. Obwohl er ihren Rat sucht, ihre Fähigkeiten schätzt. Vielleicht um sie zu schützen, vielleicht aus Neid, vielleicht aber auch einfach nur, weil eben alles so ist, wie es ist.

Die "elende Weibsnatur"

Fanny reagiert mit Wut. In einem Brief schreibt sie: "Dass man übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jeden Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekommt, ist ein Punkt, der einen in Wuth und somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn nicht dadurch das Uebel ärger würde."

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Fanny Mendelssohn : Overture in C Major | Bildquelle: Fledermaus1990 (via YouTube)

Fanny Mendelssohn : Overture in C Major

Glück bei der Eheschließung

Und dann kommt es anders: Denn Fanny Mendelssohn heiratet den richtigen Mann. Sie heiratet den Maler Wilhelm Hensel. Einen Künstler, der sie ebenso liebt wie respektiert. Mit Wilhelm an ihrer Seite kann Fanny zumindest im kleinen Rahmen ihr Talent entfalten. Sie veranstaltet Hauskonzerte und komponiert und immer wieder ist das Tagebuch Zeuge ihrer Erlebnisse. Unregelmäßig gibt es Einblicke in ihr Leben. Über ihre innige, aber eben doch manchmal zwiespältige Beziehung zum Bruder Felix, ihre politischen Ansichten, ihren Alltag, aber auch über die Sonnenzeiten in ihrem Leben, wie z.B. die knapp einjährige Italienreise von 1839 bis 1840. Kompositorisch emanzipiert sich Fanny in diesem Kapitel ihres Lebens von den Bevormundungen ihres Bruders.

Erste Publikation kurz vor dem Tod

Und schließlich wagt sie es: Im Jahr 1847 veröffentlicht sie einige Werke, unter ihrem eigenen Namen. In ihrem Tagebuch schreibt sie dazu: "Ich kann wohl nicht leugnen, dass die Freude an der Herausgabe meiner Musik auch meine gute Stimmung erhöht. Es ist sehr pikant, dass diese Art von Erfolg zuerst in einem Alter zu erleben, wo sie für Frauen, wenn sie sie je gehabt, gewöhnlich zu Ende sind. Meine letzten drei Hefte sind nun erschienen, und ich fürchte, ich stehe am Ende meiner Herausgeberschaft."

Nur wenige Wochen nach dieser Publikation stirbt Fanny Hensel an den Folgen eines Schlaganfalls.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 04. Januar 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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