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Zum Tod von Schauspiellegende Michel Piccoli Unvergessliche Filme mit unvergesslicher Musik

Das Kino lebt von Charakterdarstellern – ein unvergesslicher unter ihnen war Michel Piccoli. Mit 94 Jahren ist der Schauspieler am 12. Mai 2020 an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Wir lassen sein Leben, seine Rollen und natürlich die Musik zu seinen Filmen Revue passieren.

22.10.1983, Frankreich, Nizza: Der französische Schauspieler Michel Piccoli nach der Vorführung des Films "Le general de l'armee morte" | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Eric Gaillard

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Eric Gaillard

In den 50-er Jahren hatte Piccoli in einer Vielzahl französischer Filme Nebenrollen, oft spielte er den Inspektor oder Kommissar. Bereits in diesen Filmen arbeitete der Schauspieler unter großen Regisseuren wie Luis Bunuel, René Clair oder Jean-Pierre Melville. Seine erste Hauptrolle spielte Michel Piccoli dann 1962 neben Sexgöttin Brigitte Bardot unter Jean-Luc Godard in dem Meisterwerk "Die Verachtung", in dem es um die Dreharbeiten zu einem Film geht. Auf Drängen seines Produzenten musste Godard zwar einige Nacktszenen mit der Bardot einbauen, die fügen sich aber wunderbar in den farbtechnisch perfekten Film ein, untermalt mit der wunderschön melancholischen Musik von Georges Delerue.

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"Le Mépris" - Overture, "Contempt" | Georges Delerue (6/7) | Bildquelle: Adagietto (via YouTube)

"Le Mépris" - Overture, "Contempt" | Georges Delerue (6/7)

"Die Verachtung" ebnete Michel Piccoli den Weg in die Filmkunst. Zwar drehte er in den Sechzigern noch ein paar Krimis und Unterhaltungsfilme, doch lag sein künstlerischer Schwerpunkt von da an bei Filmen, die heute zu den Klassikern der europäischen Filmkunst zählen, wie "Der Krieg ist aus" von Alain Resnais oder "Belle de jour - Schöne des Tages" von Luis Bunuel. Oft spielte Piccoli dabei Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft, unter deren Fassade sich Abgründe auftun. 1966 stand Michel Piccoli erstmals neben Romy Schneider vor der Kamera, und zwar in "Schornstein Nr. 4", einem Film, der heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Insgesamt sechs Filme drehten die beiden zusammen. Am berühmtesten sind wohl deren Filme unter der Regie von Claude Sautet: genau beobachtete, realistische Liebesgeschichten voller Sehnsucht und Melancholie, wie etwa "Vincent, Francois, Paul und die anderen" und "Das Mädchen und der Kommissar" ("Max et les ferrailleurs").

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MAX ET LES FERRAILLEURS - PHILIPPE SARDE - FULL SOUNDTRACK | Bildquelle: KURT KAFKA (via YouTube)

MAX ET LES FERRAILLEURS - PHILIPPE SARDE - FULL SOUNDTRACK

Die 70-er Jahre waren auch die Zeit der großen Skandalfilme. Bertolucci drehte "Der letzte Tango in Paris", Pasolini "Die 120 Tage von Sodom", Oshima sorgte mit "Im Reich der Sinne" für Furore. Und auch Michel Piccoli war in zwei Filmen dabei, die in den Siebzigern die Gemüter erhitzten. In "Das große Fressen" von Marco Ferreri frisst sich eine Männerunde fröhlich zu Tode. Die Vorlage zu diesem Film lieferte übrigens eine Völlerei in einem Pariser Restaurant, an der neben Ferreri noch Philippe Sarde, Betrand Tavernier, Ugo Tognazzi und Michel Piccoli teilnahmen. Als Sarde vorschlug, noch ein paar Freudenmädchen aufzutreiben, verabschiedete sich Tavernier diskret nach Hause. Der Rest der Truppe vergnügte sich weiter – und die Idee für einen Film war geboren.

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Philippe Sarde ~ La Grande Bouffe   Original Theme 1973 | Bildquelle: NeaDelphi5000 (via YouTube)

Philippe Sarde ~ La Grande Bouffe Original Theme 1973

Ein Jahr nach "Das große Fressen" spielte Piccoli in einem weiteren Skandalfilm. Die Rede ist von der berüchtigten schwarzen Komödie "Trio Infernal". Michel Piccoli und Romy Schneider spielten darin ein Pärchen, das – um an das Geld von Lebensversicherungen zu kommen – reihenweise Männer umbringt und die Leichen in einer Badewanne voll Salzsäure "entsorgt". Romy Schneider als blutverschmierte Mörderin – das mochte in den 70-ern keiner wahrhaben, und so avancierte der Film erst viele Jahre später zu einem kleinen Klassiker. Die Musik komponierte übrigens Maestro Ennio Morricone.

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Ennio Morricone - Acido e charme - Remastered - Trio Infernale (1974) | Bildquelle: Ennio Morricone (via YouTube)

Ennio Morricone - Acido e charme - Remastered - Trio Infernale (1974)

In den Siebzigern hatte Michel Piccoli zweifelsohne seine größte Zeit. Aber auch danach stand er fleißig vor der Kamera oder auf der Bühne. Dabei blieb er stets dem anspruchsvollen Autorenkino treu. "Flucht nach Varennes" von Ettore Scola, "Eine Komödie im Mai" von Louis Malle oder "Die schöne Querulantin" von Jacques Rivette sind nur einige wenige Beispiele. 2007 wurde er in die Wettbewerbsjury der 60. Filmfestspiele von Cannes berufen, 2011 trat er als Papst in der Tragikkomödie "Habemus Papam" auf und bekam den Sonderehrenpreis für sein Lebenswerk bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises.

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We Have a Pope Official Trailer #1 (2011) HD Movie | Bildquelle: Movieclips Trailers (via YouTube)

We Have a Pope Official Trailer #1 (2011) HD Movie

Sendung: "Leporello" am 18. Mai 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Montag, 18.Mai, 20:02 Uhr

Wilfried Schneider

Michel Piccoli

18. Juni 1993, 19:30 Uhr, Münchner Kammerspiele: Michel Piccoli als John Gabriel Borkmann! Ein unvergesslicher Abend mit einem unvergesslichen, unbegreiflichen Schauspieler. Danke, Monsieur Piccoli, für ein singuläres Erlebnis!

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