BR-KLASSIK

Inhalt

Interpretationen im Vergleich Gabriel Fauré - "Requiem" op. 48

Der Tod als Erlösung und Eintritt ins Paradies: Dies ist die Grundhaltung von Gabriel Faurés "Requiem", op. 48. In der gesamten Musikliteratur gibt es kein anderes Requiem mit einer derart versöhnlichen und optimistischen Behandlung des Themas "Tod". Das 1888 entstandene Werk ist, nach Faurés eigener Aussage, "vom menschlichen Vertrauen in die Ewigkeit beherrscht". Matthias Keller hat für seinen Interpretationsvergleich Einspielungen herangezogen, die einen Zeitraum von 1948 bis in die jüngste Gegenwart umspannen.

Der Komponist Gabriel Fauré | Bildquelle: Archiv des BR

Bildquelle: Archiv des BR

Die Dramatik eines "Dies irae", wie sie uns in Mozarts oder Verdis Requiem-Vertonungen begegnet, sucht man bei Fauré vergebens. Stattdessen entlässt der Komponist den Hörer zu den lichten Klängen der lateinischen Antiphon "In paradisum", die gar nicht klassischer Bestandteil der Totenmesse ist. Auch die Instrumentierung sucht in der musikalischen Requiems-Tradition ihresgleichen.

In der Urfassung, in der das Stück erstmals in der Pariser Pfarrkirche "La Madeleine" erklang, musizierten nur der Chor, tiefe Streicher - ohne Violinen, eine Harfe, Pauken und die Orgel als durchkomponiertes Continuo-Instrument. Erst später entstand eine erweiterte Fassung mit Blechbläsern. Und anlässlich der Pariser Weltausstellung 1900 dann die heute gebräuchliche Version mit großem Orchester. Doch auch darin gibt es keinen einzigen Takt, in dem sämtliche Instrumente gemeinsam in Erscheinung treten.

Colin Davis (1984)

Colin Davis erweist sich in dieser vom VEB Deutsche Schallplatten und Philips koproduzierten Einspielung einmal mehr als sublimer Kenner der französischen Romantik. Seine Chorbehandlung (Rundfunkchor Leipzig) ist mustergültig. Leider ist die betreffende CD momentan nur mehr als Reprint auf Umwegen erhältlich.

Philippe Herreweghe (1988)

Herreweghes Surround-Einspielung mit dem Choeur de la Chapell Royale und dem Ensemble Musique Oblique ist die erste Aufnahme der wiederentdeckten und von Jean-Michel Nectoux rekonstruierten Kirchenfassung von 1893. Diese Kirchenfassung gilt heute als die eigentliche "Urfassung" des Fauré-Requiems

Sir John Eliot Gardiner (1992)

Eine der bemerkenswertesten Interpretationen des Fauré-Requiems. Gardiners Notengrundlage ist die Kirchenfassung von 1893, die er zusammen mit dem neu gegründeten "Orchestre Revolutionnaire et Romantique", dem seinerzeit in Cambridge gegründeten "Monteverdi Choir" und den "Salisbury Cathedral Boy Choristers" zur Aufführung bringt. Dabei sorgen die Boy Choristers für den typisch britischen, männlich geprägten Chorklang.

Peter Dijkstra (2011)

In der Person des Niederländers Peter Dijkstra begegnen uns zwei für diese Musik äußerst wertvolle Merkmale: zum einen bringt Dijkstra die Erkenntnisse historischer Aufführungspraxis mit, zum anderen punktet er mit seinem untrüglichen Instinkt für die frankophone Musik. Hinzu kommt der Chor des Bayerischen Rundfunks, der alldas fabelhaft umzusetzen vermag. Eine der überzeugendsten Aufnahmen des Fauré-Requiems.

Mathieu Romano (2018)

Zusammen mit seinem vor 10 Jahren gegründeten Vokal-Ensemble "Aedes" und Francois-Xavier Roths Instrumental-Ensemble "Les Siecles" präsentiert der französische Flötist, Dirigent und Chorspezialist Mathieu Romano hier einen Fauré von zupackender Intensität – beinahe so, als schaute man dem Meister bei der Verrichtung seines Dienstes an La Madeleine direkt über die Schulter. 

Sendung: "Interpretationen im Vergleich" am 28. Mai 2019 ab 20.05 Uhr auf BR-KLASSIK

DIE GESAMTE INTERPRETENLISTE DER SENDUNG "INTERPRETATIONEN IM VERGLEICH" MIT FAURÈS REQUIEM

Ensemble vocal & instrumental, Nadia Boulanger
EMI 761025-2 (1948) Version 1900

Les Chanteurs de Saint-Eustache & Orchestre, André Cluytens
EMI/Testament SBT 1240 (1950) Version 1900

L'Union de la Tour de Peilz & Orchestre de la Suisse Romande, Ernest Ansermet
DECCA 452304-2 (1955) Version 1900

Edingburgh Festival Chorus & Orchestre de Paris, Daniel Barenboim
EMI 7243-565833-2 (1975)

Choir of St. John's College Cambridge & Academy of St. Martin-in-the-Fields, George Guest
DECCA 466418-2 (1975)

Rundfunkchor Leipzig & Staatskapelle Dresden, Colin Davis
Philips 412 743-2 (1984) Version 1900

Atlanta Symphony Orchestra & Chorus, Robert Shaw
Telarc 80135 (1985) Version 1900

Philarmonia Chorus & Orchestra, Carlo Maria Giulini
Deutsche Grammophon 419243-2 (1986)

Choeur de la Chapelle Royale & Ensemble Musique Oblique, Philippe Herreweghe
Harmonia Mundi HMC 801292 (1988) Version 1893

Cambridge Trinity Choir & London Musici, Richard Marlow
Conifer Classics 74321-15351-2 (1989)

London Philharmonic Choir & Orchestra, Serge Baudo
Nippon Columbia PLCC 573 (1992 VÖ)

Salisbury Cathedral Boy Choristers, Monteverdi Choir & Orchestre Revolutionnaire et Romantique, John Eliot Gardiner
Philips 438149-2 (1992) Version 1893

Philharmonischer Chor & Münchner Philharmoniker, Sergiu Celibidache
EMI 7243-557851-2 (1994)

Tanglewood Festival Chorus & Boston Symphony Orchestra, Seiji Ozawa
RCA 82876 55303 2 (2003) Version 1900

Ensemble Vocal de Lausanne & Orchestre instrumental de Lausanne, Michel Corboz
Mirare MIR 028 (2006) Version 1893

Accentus & Orchestre National de France, Laurence Equilbey
Naïve V 5137 (2008) Version 1893

BR-Chor & Münchener Kammerorchester, Peter Dijkstra
Sony 88697911082 (2011) Version 1893

Flemish Radio Choir & Brussels Philharmonic Soloists, Hervé Niquet
Evil Penguin Records EPRC 0015 (2014) Version 1893

Ensemble Aedes & Les Siecles, Mathieu Romano
Aparté AP201 (2018) Version 1893

    AV-Player