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Interview mit Piotr Anderszewski "Musizieren hat etwas Spirituelles"

Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks interpretiert der polnische Pianist Piotr Anderszewski in München und Bad Kissingen Mozarts Klavierkonzert G-Dur, KV 453. Im Interview mit BR-KLASSIK-Autor Robert Jungwirth spricht er über die Kommunikation zwischen Interpret und Musik - und warum ihn Gesamtzyklen nicht interessieren. Das Konzert wird heute Abend ab 20:03 auf BR-KLASSIK live übertragen.

Der Pianist Piotr Anderszewski | Bildquelle: K. Miura

Bildquelle: K. Miura

BR-KLASSIK: Herr Anderszewski, es scheint, als habe Mozart in seinem G-Dur-Konzert bewusst experimentiert. E.T.A. Hoffmann hat dieses Konzert - die Nr. 17 in der Reihe der Mozart'schen Klavierkonzerte – als das erste romantische Klavierkonzert bezeichnet, weil es an manchen Stellen bereits auf Schubert vorausweise. Sehen Sie das auch so?

Piotr Anderszewski: Es ist immer schwierig, genau zu definieren, was denn nun Romantik wirklich bedeutet. Aber ja, für mich hat eigentlich fast alles von Mozart eine romantische Note. Darum ist es schwierig, dieses Konzert im Speziellen hervorzuheben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich Mozart nicht als jemanden betrachte, der ständig Zukünftiges in sich trägt, ankündigt, vorausahnt. Zumindest nicht so stark wie Beethoven. Mozart schaut auch durchaus zurück. Ich habe manchmal den Eindruck, die zwei vor ihm liegenden Jahrhunderte, gebündelt in europäischer Kultur und ihren Musikstilen, spiegeln sich in Mozarts Werken wider. Aber das ist wirklich meine ganz persönliche Meinung.

Kein Konzertabend ist gleich

Der Pianist Piotr Anderszewski | Bildquelle: MG de Saint Venant Der Pianist Piotr Anderszewski | Bildquelle: MG de Saint Venant BR-KLASSIK: Bei ihren Einspielungen  einiger Mozart-Konzerte haben Sie auch selbst vom Flügel aus dirigiert.  In den Münchner Konzerten sind Sie hingegen "nur" Solist. Ist es schwierig, sich wieder unterzuordnen, nachdem man ein Werk schon einmal ganz nach eigenen Vorstellungen interpretiert hat?

Piotr Anderszewski: Ich würde nicht sagen schwierig: Eigentlich ist es ein ganz anderes Arbeiten. Ich kann mich natürlich stärker auf das Stück und das Instrument konzentrieren, muss aber offen sein - mich auf die Ideen und Vorstellungen des Dirigenten einstellen. Das Schlimmste, was man machen kann, ist zu versuchen, seine eigene Sicht der Dinge beim Dirigenten irgendwie durchzusetzen. Dann sollte man es lieber gleich selbst machen.

BR-KLASSIK: Ein wichtiges Thema für Sie ist die Kommunikation mit dem Publikum. Können Sie beschreiben, wie das funktioniert?

Piotr Anderszewski: So etwas kann man nicht kontrollieren. Aber natürlich findet da eine Kommunikation statt. Bei einem Konzert geht es eben nicht nur um die Musiker auf der Bühne, sondern auch um das Publikum, das immer in gewisser Weise reagiert auf das, was auf der Bühne passiert. Und das spüre ich dann und kann meinerseits entsprechend reagieren. Aber das kann man, wie gesagt, nicht planen. Das Frustrierende und gleichzeitig Schöne an unserem Beruf ist ja, dass kein Konzertabend gleich ist. Ich bin immer ein anderer, das Klavier ist ein anderes, und das Publikum natürlich auch.

Vom Interpreten kommt die Energie

BR-KLASSIK: Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich weniger als reproduzierenden Künstler sehen, sondern vielmehr als Produzierenden, ja sogar Neuschöpfenden. Wie meinen Sie das?

Piotr Anderszewski: Natürlich schreibe ich nicht selbst die Musik. Aber von mir kommt die Energie dafür. Und ich gebe den abstrakten Noten des Komponisten eine physikalische Realität - durch und mit Klang. Und nur so können wir eben miteinander kommunizieren. Dazu gehört mein Körper, mein Kopf, aber auch das Instrument. Zusammen kann man den Geist des Werks wieder zu neuem Leben erwecken. Das hat ja etwas Spirituelles, und das ist für mich auch die Quintessenz von Musik und Musizieren.

Faszination durch Instinkt

BR-KLASSIK: Haben Sie eigentlich schon alle Mozart-Konzerte gespielt?

Piotr Anderszewski: Nein, das habe ich noch nicht gemacht. Und das ist auch gar nicht mein Wunsch. Wenn mich ein Stück anspricht und ich fühle, dass ich ihm gerecht werden kann, dann spiele ich es. Aber ich gehe nicht nach dem Plan vor, alle Mozart-Konzerte oder alle Beethoven-Sonaten zu interpretieren.

BR-KLASSIK: Wie stellen Sie fest, ob ein Stück zu Ihnen spricht?

Piotr Anderszewski: Ach, das ist einfach Instinkt, da geht man nicht rational vor. Manchmal passiert es auch ganz zufällig. Man hört ein Stück im Radio, das man lange nicht gehört hat und plötzlich fühlt man: Ja, jetzt muss ich etwas damit machen.

Die Konzerttermine

München, Herkulessaal der Residenz
Donnerstag, 30. Juni 2016, 20:00 Uhr

München, Herkulessaal der Residenz
Freitag, 01. Juli 2016, 20:00 Uhr
Live-Übertragung auf BR-KLASSIK

Bad Kissingen, Regentenbau
Samstag, 02. Juli 2016, 20:00 Uhr

Programm:

Gioachino Rossini:
"Il barbiere di Siviglia", Ouvertüre
Wolfgang Amadeus Mozart:
Klavierkonzert G-Dur, KV 453
Johannes Brahms:
Symphonie Nr. 4 e-Moll

Piotr Anderszewski (Klavier)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Dirigent: Rafael Payare

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