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Das Geheimnis der Cremoneser Geigen Ist der Stradivari-Code geknackt?

Geigenbauerin Simone Zopf und ihre Schüler der Hallstätter Fachschule für Instrumentenbau könnten das Konstruktionsprinzip der Stradivari-Violinen entschlüsselt haben. Ihre Erkenntnis nach 13 Monaten intensiver Recherche sorgt in der Fachwelt für Aufsehen: Die magische Zahl 18,66 soll die Lösung sein. Die Forscher selbst nennen es ein "Amati-Inch". Simone Zopf erklärt im Gespräch mit BR-KLASSIK, was es damit auf sich hat und präsentiert ihre Forschung beim Vielsaitig Festival in Füssen.

Korpus einer Geige wird geschnitzt | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das Geheimnis der Cremoneser Geigen

Gespräch mit der Instrumentenbauerin Simone Zopf

BR-KLASSIK: Frau Zopf, Sie und Ihre Instrumentenbau-Schüler haben sich gefragt, nach welchen Konstruktionsprinzipien Antonio Stradivari und andere große Cremoneser Geigenbaumeister ihre Instrumente hergestellt haben. Dabei sind Sie auf eine ganz besondere Maßeinheit von 18,66 Millimetern gestoßen. Was hat es damit auf sich?

Simone Zopf: Dieses Maß hat ein Forscher schon in den 1980er Jahren bei der Durchsicht von Linealen aus dem Atelier Stradivaris entdeckt, aber niemand wusste bisher, inwiefern das der Schlüssel zur Konstruktion der Stradivari-Geigen sein könnte. Die Sache ist kompliziert, denn das Maß wird über konzentrische Kreise verwendet. Von der Mitte der Geige aus zieht man Kreise im Abstand von 18,66 Millimetern. Auf diesen Kreisen finden sich alle Punkte, die man braucht, um den Umriss der Geige zu konstruieren. Aber wenn ich nicht weiß, dass ich in Kreisen von der Mitte aus messen muss, sehe ich das Muster nicht. Meine Schüler und ich haben die ersten Ergebnisse bei einem Kongress in Cremona veröffentlicht und hatten dann die Gelegenheit, nach Paris ins Cité de la musique zu fahren. Dort gibt es fünf Stradivaris, die wir alle genau vermessen und untersuchen durften. Wir haben in der Mitte der Geigen wirklich Zirkel-Einstechpunkte gefunden, außerdem noch auf Schablonen aus Stradivaris Nachlass.

BR-KLASSIK: In Ihren Ergebnissen steht, dass die Breite der Stradivari-Geige genau elf Mal diesem Maß von 18,66 Millimetern entspricht und die Länge 19 Mal. Trotzdem sind doch die Geigen von Stradivari nicht alle gleich breit…

Simone Zopf: Nein, es gibt hier ganz kleine Variationen auch innerhalb der Geigen von Stradivari. Eine Violine ist zum Beispiel elf Mal so breit wie das Maß, eine andere elfeinhalb Mal so breit. Auch die anderen Instrumentenbauer haben meist ein, zwei unterschiedliche Modelle angewandt, aus klanglichen oder ästhetischen Gründen. Aber das Interessante ist: Wenn ich diese Maßeinheit kenne, komme ich ihr trotzdem auf die Schliche.

BR-KLASSIK: Das bedeutet, das System in sich bleibt stimmig?

Simone Zopf: Genau.

BR-KLASSIK: Sie sind selbst Instrumentenbauerin. Welche Auswirkung hat denn Ihre Entdeckung auf den Geigenbau heute?

Geigenstege beim Geigenbau | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Simone Zopf: Stradivaris werden natürlich schon seit 250 Jahren genauestens kopiert. Aber nur wenn ich auch das System dahinter begreife, weiß ich, in welchem Bezugsrahmen alles steht. Wenn ich zum Beispiel beim Nachmessen am Original zwischen zwei Längen schwanke, weiß ich, wohin die Tendenz geht, was gemeint ist. Gerade im Bereich der Restauration ist das interessant. Bei vielen Geigen fehlt ein Teil oder sie wurden verändert. Wenn ich sie jetzt nachbaue, kann ich einfach versuchen, anhand der Maßeinheit den Originalzustand wieder herzustellen.

Das Gespräch führte Kathrin Hasselbeck für BR-KLASSIK.

Simone Zopf beim Festival Vielsaitig

Samstag, 27.08.2016, 17.00 Uhr
Barockkloster St. Mang, Füssen
Vortrag: "Die Konstruktion der Cremoneser Violinen und die römische Oncia: ein neuer Lösungsansatz für ein altes Problem"
Simone Zopf, Instrumentenbauerin und Musikwissenschaftlerin

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