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Julian Prégardien zum Mozartfest Würzburg "Hör mal, Wolferl ...?"

Am 24. Mai gestalten der Tenor Julian Prégardien und das Freiburger Barockorchester das Eröffnungskonzert der Mozartwoche Würzburg. Auf dem Programm stehen unter anderem zwei Tenor-Arien von Mozart. Im Interview spricht Prégardien über das Romantische bei Mozart, die besondere Stellung der "Zauberflöte" – und was er Mozart am liebsten fragen würde.

Julian Prégardien, Tenor | Bildquelle: © Marco Borggreve

Bildquelle: © Marco Borggreve

BR-KLASSIK: Wenn Sie Mozart begegnen könnten und Sie dürften ihm eine Frage stellen – welche wäre das?

Julian Prégardien: Ob er sich im Dialog mit einem Ausführenden seiner Musik – den Begriff Interpret kannte Mozart noch gar nicht – auf Änderungen an seiner Musik einlassen würde. Ob er sich kritisieren lassen würde in dem Sinne, dass ich mich hinstelle als Kollege und sage: Hör mal, Wolferl, wenn ich das so singe, gefällt Dir das besser oder nicht so gut? Ich wäre gespannt, was er darauf antworten würde.

Mit Mozart in den Dialog treten

BR-KLASSIK: Was glauben Sie denn, was er Ihnen antworten könnte?

Julian Prégardien und Akemi Murakami live im U21-Studio | Bildquelle: BR Julian Prégardien im U21-Studio des BR | Bildquelle: BR Julian Prégardien: Das könnte in beide Richtungen ausschlagen. Er könnte sagen: Spinnst du? Ich weiß schon, was ich schreibe. Und Mozart wusste sehr genau, was er schreibt. In anderen Fällen... Ein Beispiel: Es gibt das Lied "Der Zauberer". In der dritten Strophe habe ich meiner Studentin neulich geraten, den Rhythmus zu ändern. Ich habe sie ermutigt, in den Dialog mit Mozart zu treten und sich zu trauen, ihm das vorzuschlagen, diese Änderung zu wagen. In unserem kleinen Studio an der Münchner Musikhochschule fanden wir das ganz toll. Ob wir uns das im Angesicht von Mozart auch trauen würden, weiß ich nicht. Aber ich hoffe es.

Das ist etwas, was für mich romantisch ist: das Subjektive, was man auch bei Mozart findet.
Julian Prégardien

Die Balance wahren

BR-KLASSIK: Die Frage, die sich das Mozart Festival in diesem Jahr stellt, lautet: "Mozart, ein Romantiker?" Hat das was in Ihnen bei der Vorbereitung auf die Konzerte hier in Würzburg bewirkt?

Julian Prégardien: Ja, aber ich habe das eigentlich erst gemerkt, als ich mit dem Freiburger Barockorchester vorgestern zum ersten Mal geprobt habe. Sowohl das Orchester als auch ich schauen ja gleichermaßen eher aus der Barockzeit auf Mozart mit unserer Musizierpraxis. Und wir haben uns dabei ertappt, ziemlich viele romantische Parameter zu bedienen in unserer Interpretation – in puncto Phrasierung und Zeitdehnung. Das muss ja nicht unbedingt das romantische Klischeebild bedienen nach dem Motto: Wir brauchen mindestens sechs Kontrabässe und zwölf erste Geigen, dann natürlich viel Vibrato und einen schönen runden gleichförmigen Klang. Das meine ich gar nicht so sehr – sondern, dass wir uns dabei ertappt haben, ziemlich subjektiv mit der Musik umzugehen. Das ist etwas, was für mich romantisch ist: das Subjektive, was man auch bei Mozart findet, wo man aber auch ins Fettnäpfchen treten kann und sich plötzlich dabei erwischt, wie ein Ausdruck naturalistischer wird, als er vielleicht gedacht ist. Die Balance zu wahren, ist da nicht ganz so leicht.

Die "Zauberflöte" als Vorläufer der Romantik

BR-KLASSIK: Gibt es so allein schon durch diese Fragestellung sowohl Chance als auch Risiko in der Interpretation? Dass man ein bisschen aus der Komfortzone bewegt und Überraschungen entdeckt? Haben Sie Überraschungen entdeckt? Nehmen wir die erste Konzertarie dieses Abends.

Julian Prégardien (Tamino) | Bildquelle: Monika Rittershaus Julian Prégardien als Tamino an der Staatsoper Berlin | Bildquelle: Monika Rittershaus Julian Prégardien: Ich würde lieber die Bildnis-Arie aus der "Zauberflöte" nehmen. Ich finde sie deswegen geeigneter, weil sie so bekannt ist, und weil ich in der Probenarbeit gemerkt habe, dass ich diese Arie singe wie ein Lied. Nun bietet sich ja die "Zauberflöte" und vor allem die Rolle des Tamino geradezu an, romantisch betrachtet zu werden, weil Tamino gar kein typischer "Mozart-Opern-Tenor-Charakter" ist. Und gerade die Bildnis-Arie hat liedhafte Züge: Der Text ist sehr syllabisch vertont und das Orchester spiegelt das Seelenleben wider, so wie das bei Schubert die Klavierbegleitung tut. Wenn ich eine Arie aus "Titus" ausgewählt hätte, würde mir das gar nicht so gehen, weil das eine viel rückwärtsgewandtere Oper ist. Außerdem hat die "Zauberflöte" ja auch so eine Botschaft ins 19. Jahrhundert gesendet, dass sie die "Deutsche Oper" schlechthin werden könnte. Goethe wollte ja unbedingt ein Libretto schreiben "Der Zauberflöte zweiter Teil", oder er hat sogar damit begonnen. Es gibt auch von Peter von Winter eine Nachfolgeoper zur "Zauberflöte" – weil ganz Wien danach geschrien hat, das sei die Chance einer neuen Identität der Oper. Und damit hält etwas Romantisches Einzug, also ein großes Identifikationspotenzial in der Musik.

Es geht darum, individuell sein zu dürfen und eine Meinung zu haben.
Julian Prégardien

Übergroße Vorbilder

BR-KLASSIK: Kann es sein, dass es im Moment in unserem Musikleben auch so eine Art Renaissance der Romantik gibt? In den 60er bis 80er Jahren hat ja da doch das Intellektuelle – die zeitgenössische Moderne oder das Klassische – viel mehr Raum eingenommen als das Bekenntnis zu einem Romantizismus. Haben wir also eine Art Romantik-Revival?

Julian Prégardien: Ich glaube, es ist vor allem ein Bedürfnis da, sich von übergroßen Vorbildern loszulösen. In der Alten Musik ist es zum Beispiel der dringende Wunsch, Tatsachen zu durchleuchten, so wie das Harnoncourt gemacht hat – aber nicht zu den gleichen Schlüssen zu kommen wie Harnoncourt. Die Zeit, die Sie gerade beschrieben haben, ist ja auch die Zeit der großen Dirigenten mit großen Plattenverträgen und Imagekampagnen – oder auch die der großen Sänger: Kein Tenor kommt darum herum, sich mit Wunderlich vergleichen zu lassen, und kein Bariton kommt an Fischer-Dieskau vorbei. Und natürlich gibt es ein Bedürfnis meiner Generation... nicht, denen an den Sockel zu pinkeln, darum geht es überhaupt nicht, niemals. Aber es geht darum, individuell sein zu dürfen und eine Meinung zu haben.

Sendung: "Leporello" am 24. Mai 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Das Mozartfest Würzburg 2019

Das Mozartfest Würzburg läuft heuer vom 24. Mai bis 23. Juni.
Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Festivals.

Die Wiederholung des Eröffnungskonzerts mit Julian Prégardien und dem Freiburger Barockorchester am 25. Mai wird von BR-KLASSIK live im Hörfunk und im Videostream übertragen.

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