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Okka von der Damerau in "Meine Musik" "Es geht vor allem um das Gehirn"

Abends hat Okka von der Damerau nur wenig Zeit, sich von ihren zwei Kindern auf die Vorstellung am Abend umzustellen. Wie ihr das gelingt und welche Rituale sie pflegt, hat sie BR-KLASSIK in der Sendung "Meine Musik" verraten.

Mezzosopranistin Okka von der Damerau | Bildquelle: © Mathias Leidgschwendner

Bildquelle: © Mathias Leidgschwendner

BR-KLASSIK: Okka von der Damerau, Sie haben Kinder und Familie und haben nur kurze Zeit, sich auf die Vorstellung am Abend umzustellen. Haben Sie irgendwelche Rituale oder versuchen Sie, sich davon frei zu machen?

Okka von der Damerau: Ich versuche, mich unbedingt frei von Ritualen zu machen, die einen bestimmten Rahmen sprengen. Mein Ritual ist, ein bisschen alleine zu sein, was oft schon in der Garderobe funktioniert – wenn man denn eine Garderobe alleine für sich hat. Vorher gönne ich mir immer den obligatorischen Café vorher. Dann sichte ich kurz, was noch zu tun ist, dass der Kopf geordnet und frei ist. Damit meine ich etwa die Alltagsplanung  oder das Beantworten von E-Mails. Dann kann man sich schnell konzentrieren. Das ist auch Übungssache.

BR-KLASSIK: Sie stehen um 20 Uhr das erste Mal auf der Bühne. Wie lange brauchen Sie stimmlich und körperlich? Wie viel Vorlauf haben Sie?

Okka von der Damerau: Selbst bei der Ulrica oder bei den Gurreliedern, die nicht mehr klein vom Umfang her sind, brauche ich nicht so lang. Es ist eher so, dass man sich konzentriert aufwärmen muss - stimmlich ein bisschen, mit guten Übungen. Bei mir geht es aber eher um Randkantenschwingungen – für die, die verstehen, was damit gemeint ist – als immer mit Vollgas zu singen. Und es geht vor allem um das Gehirn, also um Konzentration, eben weil wir im Moment arbeiten.

BR-KLASSIK: Die Spannung herzubringen oder sie zu überspannen…

Okka von der Damerau: Ja, einfach auf den Punkt zu kommen, wo man frei ist und frei agieren, singen und spielen kann.

Okka von der Damerau...

...ist seit der Spielzeit 2010/11 Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper. Zuvor war die gebürtige Hamburgerin von 2006 bis 2010 Ensemblemitglied an der Staatsoper Hannover. In der aktuellen Spielzeit ist die Mezzosopranistin am Münchner Nationaltheater unter anderen in "Der feurige Engel" (Äbtissin), "Tristan und Isolde" (Brangäne) und in "Un ballo in maschera" (Ulrica) zu erleben.

BR-KLASSIK: Waltraud Meier hat gesagt, dass es immer wieder Momente von Lampenfieber gäbe – witzigerweise mehr mit der Dauer der Karriere. Am Anfang hätte sie gar nicht damit umzugehen gewusst. Irgendwann habe das akzeptiert und gesagt: Dann ist das heute so. Stichwort Tagesform: Es gibt Tage, an denen nicht alles gut ist, an denen Sie aber trotzdem auf die Bühne müssen.

Okka von der Damerau: Natürlich gibt es Rituale - das ist aber nur ein kleiner zeitlicher Abschnitt, in dem diese stattfinden. Dazu gehört, wie eben gesagt, das Fokussieren. Das hilft, sich auf eine rationale Schiene zu bringen, in der man einfach wohlgespannt ist. Wenn ich nervös bin, liegt das meistens daran, dass ich irgendetwas nicht gut vorbereiten konnte. Das hat etwa mit der Erreichbarkeit von Pianisten zu tun oder dass wir wirklich wenig Probenzeit hatten und das Stück dafür zu schwer ist. Ich bin keine Freundin von Überproben, aber wenn man überfordert ist, ist es schwierig – das macht mich nervös. Die Tagesform bekomme ich gut in den Griff.

BR-KLASSIK: Mit Tagesform meine ich auch eine menschliche Grundstimmung. Auch unter professionellen Bedingungen bleibt man Mensch und kann sich nicht immer konditionieren und „maschinisieren“. Wie gehen Sie damit um? Wir bekommen davon ja nichts mit.

Okka von der Damerau: Ein Beispiel: In einer Meistersinger-Vorstellung hatte ich die erste Szene mit Spaß angefangen und dann war ich aus irgendeinem Grund genervt. Ich war richtig schlecht gelaunt – das ist auch nicht schön bei mir. Dann muss man natürlich sehen, wie man das wieder auf den Damm bekommt, damit das nach außen nicht hässlich wird. Damit umzugehen, habe ich etwa von Frank Castorf gelernt. Das ist eines seiner und auch ein ganz legitimes Mittel im Schauspielbereich: Durch das Freisetzen von Aggression und Wut kann man die besten Leistungen bringen. Wenn man rausgeht und die Energie nutzt, die dadurch freigeworden ist, dann funktioniert das. Manchmal ist das gar nicht schlecht. Besser, als wenn man irgendwie unterspannt ankommt und ein bisschen durchhängt. Ich bin einfach ein sehr emotionaler Mensch. Man lernt dann damit umzugehen, besser als viele andere drumherum. Ich finde es sehr schade, dass das viel zu wenig in unserer Gesellschaft akzeptiert wird - man ist nicht immer nur gleich, einschätzbar und angepasst.

Das Gespräch führte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.

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