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Geschichte - das Münchner Nationaltheater brennt Feuer, Lärm und heilloses Durcheinander

Seit fünf Jahren hatten die Münchner ein neues Theater. Das Hof- und Nationaltheater zählte zu den größten Häusern Europas, es übertraf sogar das Pariser Odeon, das König Max I. Joseph seinem Architekten Karl von Fischer als Vorbild empfohlen hatte. Es bot 2.400 Zuschauern Platz, hatte die beste Bühnentechnik und - wie kein anderes Theater - eine Sprinkleranlage. Doch dann kam jener Tag im Januar 1823.

Münchner Hof- und Nationaltheater, Stahlstich von Johann Poppel (um 1840)  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das Nationaltheater brennt zum Anhören

Dienstag, 14. Januar 1823. Draußen ist es bitterkalt und die zahlreich erschienenen Zuschauer genießen dankbar die moderne Warmluftheizung im Münchner Hof- und Nationaltheater. Viele der Anwesenden haben schon zu Bauzeiten des Theaters für einige tausend Gulden Logen als erbliches Eigentum für sich und ihre Familien gekauft und freuen sich nun, dieses Geld gut angelegt zu haben. Heute stehen zwei Werke auf dem Program: die Oper "Die beiden Füchse" von Etienne Nicolas Méhul und das Ballett "Die Wildschützen". Kurz vor acht Uhr bemerken die Zuschauer einen auffallend hellen Schein hinter einer Kulisse, die den Hintergrund eines Zimmers darstellt: Feuer! Doch zu Panik kommt es nicht.

Das Wasser kam nicht

"Im ersten Augenblick entstand eine große Bewegung, allein da Prinz Karl von seiner Loge dem Publikum zurief, es habe bei der bestehenden Wasserleitung das Feuer nicht zu fürchten, so entleerten sich Parterre und Logen durch die zahlreichen Ausgänge allmählich und mit ziemlicher Ruhe," - so wurde die Evakuierung später im Jahrbuch der Stadt München festgehalten. Das Publikum vertraute auf das Wasserreservoir, das die Bühne binnen weniger Sekunden unter einen dichten Platzregen setzen sollte. Doch das Wasser kam nicht. Nach einer Revision hatte man vergessen, die Becken auf dem Dachstuhl erneut zu füllen. Dazu kam, dass das Sicherheitspersonal nicht an seinem Platz war - was die Zuschauer, die nun aus dem Theater eilten, allerdings nicht wissen konnten. Der Brand hatte zwischenzeitlich auf die Bühnendekoration übergegriffen, bald stand das ganze Bühnenhaus in Flammen, dann der ganze Bau.

Der spätere Hofrat Eugen Brochier erinnert sich: "Der Brand muss fürchterlich gewesen sein, denn die brennenden Dekorationsstücke flogen in dieser Schreckensnacht bis ans Ende der Fürstenstraße, wo meine Eltern wohnten, und wo sie sich zum Entsetzen meiner Mutter und der anderen Hausgenossen auf das schneefreie Dach unseres Häuschens niederließen. Es ist zwar alles, Gottlob glücklich für uns abgelaufen, allein das Getöse auf den Straßen, der feuergerötete Himmel, die hellen Flammen sowie das Jammergeschrei der Frauen im Hause sind Bilder, die sich meiner Seele ganz unauslöschlich eingeprägt haben."

Rettung von den Brauereien

Es war der größte Brand in München seit dem verheerenden Feuer in der Residenz 1676. Der Lärm auf den Straßen war fürchterlich. Sämtliche Kirchenglocken läuteten, die Tambours und Trompeter der Garnison alarmierten die Bevölkerung, Soldaten der Kavallerie trieben alle Männer Richtung Theater, um dort Wasser zu pumpen und die Wasserkübel dann von Hand zu Hand zu reichen.  

Mein schönes Theater, mein schönes Theater, das überlebe ich nicht!
König Max I. Joseph beim Anblick des Feuers

Das Gemälde zeigt Max I. Joseph, König von Bayern, am Schreibtisch. | Bildquelle: picture-alliance/dpa König Maximilian I. Joseph gab den Bau des Nationaltheaters in Auftrag | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Auf dem Platz vor dem Theater herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Feuerwehren kamen bis von Dachau, aber keiner wusste genau Bescheid. Wegen sich widersprechenden Anordnungen und Befehle wurde viel Löschwasser unnütz verschwendet - und dann wurde es so kalt, dass auch noch das Wasser in den Spritzen gefror. Nun rannte alles zu den Brauereien, um von dort warmes Brauwasser zu holen.

Schon acht Tage nach dem Feuer gab die Münchner Bürgerschaft das Versprechen, zunächst ein Drittel der benötigten Kosten für den Wiederaufbau zu übernehmen. Knapp zwei Jahre später erstrahlte das königliche Hof- und Nationaltheater in neuem Glanz. Und so wie das warme Brauereiwasser bei den Löscharbeiten geholfen hatte, so hatte das Bier als Wiederaufbauhilfe gedient: Der Bierpfennig - eine Sondersteuer - erinnerte jeden, der das Gebräu zu sich nahm daran, dass er zu seinem persönlichen Genuss auch noch etwas Gutes für das Theater tat.

Und wenig später, als man sich an den Brand schon gar nicht mehr erinnern konnte, verbreitete sich ein Gerücht: Die Münchner hätten ihr brennendes Theater mit Bier gelöscht.

Sendung: "Piazza" am 13. Januar 2018 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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