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Was heute geschah – 5. November 1921 Der Pianist György Cziffra wird geboren

Budapest, 5. November 1921. Wer von den vielen, vielen Klavierartisten kann schon von sich sagen, er habe seine Karriere im Zirkus gestartet. György Cziffra konnte. Noch im Kindergartenalter trat der nämlich in die Manege, um über Melodien zu improvisieren, die das Publikum ihm zurief.

Der Pianist György Cziffra | Bildquelle: wikimedia / Zeichnung von Serge Tziganov

Bildquelle: wikimedia / Zeichnung von Serge Tziganov

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Ein Wanderzirkuswunderkind – klingt romantisch. Ist es aber nicht. Cziffra muss mitverdienen. Wächst als Rom in ärmlichsten Verhältnissen auf. Klavierspielen lernt er nur, weil die Schwester ihre Stunden an ihn abtritt. Und auch der weitere Karriereweg verläuft in Umwegen. Mit neun ans Konservatorium, mit 16 erste Tourneen, mit 21: Vollbremsung. Cziffra gerät zwischen die Fronten: erst ungarischer Kriegsdienst, dann russische Gefangenschaft, zwischenzeitlich Barpianist, ein gescheiterter Fluchtversuch, der Gulag und schließlich, Cziffra ist mittlerweile 35, die Flucht ins westliche Ausland. Erst Wien, dann Paris.

Mann zwischen den Fronten

Obwohl nun die Weltkarriere Fahrt aufnimmt – Cziffra bleibt der Mann zwischen den Fronten. Kaum ein Pianist spaltet die Lager so sehr wie er. Die einen verehren ihn als Wiedergänger des romantischen Virtuosen, als Paganini am Klavier, als idealen Lisztinterpreten: technisch perfekt, emotional direkt. Bravour und Furor – es sind so altertümliche Begriffe, die einem in den Sinn kommen, wenn man ihn spielen hört.

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(VIDEO) György Cziffra at the BBC (1962-1963 complete TV broadcasts) | Bildquelle: Classical Piano Rarities 🎹 (via YouTube)

(VIDEO) György Cziffra at the BBC (1962-1963 complete TV broadcasts)

Aber nicht alle sind so begeistert. Ausgerechnet in München trifft Cziffra mit seinem Spiel auf wenig Gegenliebe. Joachim Kaiser, Klassikpapst der Süddeutschen Zeitung, nennt ihn in einer relativ vernichtenden Kritik erst einen "grifftechnischen Krösus" – und vergiftet dieses ohnehin schon zweifelhafte Komplement dann endgültig durch das Urteil: in Sachen Interpretation sei Cziffra nicht mehr als eine "Kirchenmaus". München sieht den Pianisten nie wieder.

Legendäre Klaviertranskriptionen

Immerhin: Zu seinem Tod im Jahr 1994 wird der Tastenkünstler in derselben Zeitung wieder als Legende geehrt. Und legendär sind mit Sicherheit seine Klaviertranskriptionen – auch hierin beweist sich Cziffra als rechtmäßiger Erbe von Franz Liszt. Strauss‘ Donauwalzer, Brahms‘ Ungarische Tänze oder Rossinis Guillaume Tell – dass hier ein `grifftechnischer Krösus´ am Werk war, dürfte jeder Pianistin klar sein, die sich durch diese Partituren turnt.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7.40 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 5. November 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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