BR-KLASSIK

Inhalt

Alban Berg Sieben frühe Lieder

Die "Sieben frühe Lieder" sind Jugendwerke. Die meisten seiner während der Studienzeit geschriebenen Lieder hält Alban Berg sogar für Jugendsünden. Aus einigen macht er jedoch später einen Zyklus: eben jene "Sieben frühen Lieder", über die sich Florian Heurich mit Diana Damrau unterhalten hat.

Porträt Alban Berg | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das starke Stück

Alban Berg - Sieben frühe Lieder

"Was faszinierend ist: Alban Berg, man denkt da immer sofort 'Lulu' und 12-Ton und noch schlimmer. Aber wenn man diese Sieben frühen Lieder hört, haben die eine ganz eigene Farbigkeit. Und natürlich noch eine gewisse Harmonik. Und sind hoch romantisch und wunderschön." (Diana Damrau)

Es sind die ersten Werke, mit denen der 22-jährige Berg an die Öffentlichkeit tritt. Er ist Privatschüler von Arnold Schönberg. Unter dessen Aufsicht entstehen zahlreiche Lieder. Drei davon werden 1907 in Wien bei einem Kompositionsabend der Schönberg-Studenten aufgeführt: "Traumgekrönt", "Liebesode" und "Die Nachtigall" - Bergs erstes Konzert vor Publikum.

Sopranistin Diana Damrau | Bildquelle: Tanja Niemann Diana Damrau | Bildquelle: Tanja Niemann

Erst zwanzig Jahre später fasst er sieben seiner frühen Klavierlieder zu einem Zyklus zusammen, erstellt eine Orchesterfassung und publiziert sie. Den großen Rest seiner Jugendstücke hält er für nicht weiter beachtenswert und lässt sie unveröffentlicht. Die "Sieben frühen Lieder" hingegen erzählen eine Geschichte, auch wenn sie ursprünglich gar nicht als Zyklus gedacht waren. Die Geschichte einer Liebe. Vielleicht der Liebe des Komponisten zu seiner späteren Frau Helene.

"Also zuerst noch die Einsamkeit in der Nacht. Eine Vorstimmung, eine Sehnsucht hört man drinnen. Wenn es losgeht, es fröstelt einen fast. Also eine hochromantische Naturbeschreibung. [...] Es beginnt ganz leise aus dem Nichts. Man hat die Dämmerung, man hat den Nebel, das silberne Mondlicht. Und es ist alles in kalte, blaugraue Farben getaucht. Harmonisch gesehen." (Diana Damrau)

Die Seele fliegt

"Nach kürzester Zeit kommt‘s schon zum großen Aufschwung: Weites Wunderland ist aufgetan. Und da ist es, wie wenn man quasi die Flügel ausstreckt und über das Tal im Nebel in der Nacht fliegt. Und dieses Fliegen der Seele, diese Leidenschaft, dieser Aufschwung der Gefühle steigert sich im Laufe des Zyklus‘ insofern, dass es ziemlich sexy und ziemlich ekstatisch, sogar orgiastisch, orgasmisch wird." (Diana Damrau)

Theodor Storm | Bildquelle: picture-alliance/dpa Theodor Storm | Bildquelle: picture-alliance/dpa Berg kennt die Lyrik seiner Zeit genau. Er vertont zum Teil Dichter, die heute kaum mehr bekannt sind, wie Paul Hohenberg oder Carl Hauptmann, aber auch Rilke, Lenau, Hartleben und Storm. Von Theodor Storm stammt das Gedicht "Die Nachtigall" - in der Liebesgeschichte von Bergs Zyklus ein Moment der widersprüchlichsten Gefühle am Wendepunkt im Leben eines jungen Mädchens. Die Musik bringt die Ekstase, die im Text nur angedeutet wird, ganz offenkundig zum Ausdruck.

"In der 'Nachtigall' ist es quasi so ein Kernpunkt: Sie war doch sonst ein wildes Blut, nun geht sie tief in Sinnen. Man spürt, dass sie quasi ihre Gedanken nicht mehr wegkriegen kann vom anderen, vom Partner. Und dann kommt es auch zur Vereinigung." (Diana Damrau)

In den "Sieben frühen Liedern" schwingt eine gewisse Morbidität mit, etwas Rauschhaftes, Schillerndes. Eine Fin-de-Siècle-Opulenz, die gleichzeitig auch etwas Dekadentes an sich hat. Und auf die Euphorie in "Traumgekrönt", das im Zentrum des Zyklus‘ prangt, folgt die Ermattung.

"Es geht wirklich um die große Liebe, aber auch um die körperliche Liebe und um die Erschöpfung danach. Und einfach dieses Liebesglück einer erfüllten Zweisamkeit. Im Zimmer ist auch so dieses glückliche Beisammensein. Man braucht gar nix anderes mehr dazu." (Diana Damrau)

Momentaufnahmen einer großen Liebe

"Der Bogen schließt sich dann mit dem letzten Lied 'Sommertage'. Da geht er wieder auf die Natur ein und was auch die romantische Seele besonders kennzeichnet: der Drang nach Freiheit, der Drang hinaus in die Natur, zu wandern, zu entdecken. Und da sagt dann das lyrische Ich, der Erzähler im Stück: ich brauch das alles gar nicht. Ich bin so erfüllt. Ich bin so glücklich, ich muss jetzt nicht wandern. Man spürt aber diese Morbidität ist auch drin. Also es sind ganz, ganz besondere Lieder, die eine große Anziehungskraft haben." (Diana Damrau)

Mit diesen Miniaturen setzt sich der junge Kompositionsschüler Berg mit der Liedtradition des 19. Jahrhunderts auseinander, insbesondere mit Gustav Mahler. Diana Damrau sieht noch eine weitere Gemeinsamkeit mit Mahler:

"Was ich persönlich jetzt gemerkt habe beim Studieren dieser Lieder: Er hat wie Mahler alles ganz deutlich und exakt geschrieben. Vor allem die Tonlängen am Schluss der Phrasen, Akzente. Gustav Mahler ging ja wirklich auch in den Mikrokosmos, was ja das Lied eigentlich ist. Genauso Berg. Und wenn man da nicht achtsam singt...also ich war an manchen Stellen einfach nicht zufrieden, wie ich das gesungen habe. Da war der Effekt nicht da. Und ich dachte mir, warum? Und dann habe ich gemerkt, wenn ich das wirklich eins zu eins so singe, wie es da drinnen steht, dann stimmt's." (Diana Damrau)

Als Momentaufnahmen einer großen Liebe spiegeln die "Sieben frühen Lieder" auch ein Stück von Bergs eigenem Leben wider: die Verbindung mit seiner Frau, die er zur Entstehungszeit dieser Stücke kennenlernt. Ihr ist der Zyklus gewidmet: "Meiner Helene". Diese einst schwärmerische Liebe steckt jedoch in der Krise, als sich Berg Jahre später wieder seinen Jungendwerken zuwendet und sie publiziert. Die Leidenschaft des nunmehr gereiften Komponisten gilt mittlerweile einer anderen. Ironie des Künstlerschicksals.

Musik-Info

Alban Berg: Sieben frühe Lieder

Diana Damrau, Sopran
Stephan Matthias Lademann, Klavier
Label: Orfeo

Mehr Vokalmusik

    AV-Player