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Johann Sebastian Bach Violinkonzert E-Dur, BWV 1042

"Ich glaube, bei Bach braucht man Jahrzehnte, um die Musik wirklich in seinem Blut zu fühlen", sagte der Geiger Frank Peter Zimmermann. Mit zwölf Jahren hat er zwar schon das a-Moll Konzert von Bach gespielt, doch an das E-Dur Konzert BWV 1024 hat er sich lange nicht herangewagt. Inzwischen gehört es natürlich auch zu seinem Repertoire.

Johann Sebastian Bach | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das starke Stück

J. S. Bach – Violinkonzert E-Dur

Mit 18 Jahren hat der Geiger Frank Peter Zimmermann das E-Dur Konzert von Johann Sebastian Bach zum ersten Mal gespielt – wegen der Tonart. Denn auf der Geige in E-Dur wirklich sauber zu intonieren, ist schwer: Ständig muss man die Lagen wechseln, eine heikle Sache. Deshalb ist auch die Tempowahl im ersten Satz, dem Allegro, nicht ganz unwichtig. "Bach schreibt hier eindeutig 'alle breve', sagt Zimmermann. "Wenn es also auf Halbe gedacht ist, wie schnell soll es sein? Man darf es auch nicht zu schnell angehen, denn im Mittelteil sind wirklich einige ganz schwierige Soli für die Geige. Aber auch schon bei den Tutti: Die ersten Geigen spielen gerade in den A-Teilen sehr viele schwere Stellen mit der Solo-Geige zusammen, wo dann auch 32-tel vorkommen. Und es muss trotzdem etwas Mannhaftes, Gestandenes behalten."

Kunstvoll ausgearbeitete Begleitstimmen

Insgesamt betrachtet hat der erste Satz eine A-B-A-Form. Dabei verknüpft Bach die Sologeige kunstvoll mit dem Orchester. Deshalb sind nicht nur die Soli eine Herausforderung, sondern auch das Miteinander musizieren. Auf vielfältige Art und Weise treten die kunstvoll ausgearbeiteten Begleitstimmen der Tutti-Streicher in einen Dialog mit dem Solisten. Frank Peter Zimmermann sagt: "Gerade das Orchester wird insofern extrem eingesetzt, als dass die ersten Geigen ein Thema beginnen, das dann plötzlich die zweiten Geigen übernehmen. Später spielt die Orchestergeige zusammen mit dem Continuo und der Solo-Geige eine Art Doppelkonzert für zwei Geigen mit Continuo."

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Impressionistisch gedacht?

Geiger Frank Peter Zimmermann | Bildquelle: © Harald Hoffmann Frank Peter Zimmermann | Bildquelle: © Harald Hoffmann Wenn Bach von dem freudigen ersten A-Teil zum Mittelteil in der Paralleltonart cis-Moll überleitet, ändert Frank Peter Zimmermann seine Artikulation und auch die Dynamik. Für ihn hat dieses cis-Moll eine ganz eigene Atmosphäre. "Es wird am Anfang eher rustikal 'forte'. Im Mittelteil ist es alles doch sehr weich und lyrischer und man benutzt vielleicht ein bisschen mehr Vibrato. Man nimmt vielleicht mehr Bogen, aber ganz leicht, quasi flautando, um diese Farben herauszubekommen. Es ist keine Trauer, überhaupt nicht. Ich würde sagen: Es ist eine Art von Eintrübung, aber auf eine ganz hochkonzentrierte Art – fast impressionistisch gedacht." Am Ende dieses Mittelteils in cis-Moll wird es immer dramatischer. "Es bäumt sich auf, und dann kommt eine Art Ritardando und ein Adagio, wo die Geige dann im freien Fall in cis-Moll runtergeht und eigentlich dann auch eine Art von improvisierter Kadenz am Schluss bringen sollte, bevor dann wieder alles in großer Freude weitergeht."

Das Adagio – ein Juwel

Ein Juwel dieses Konzerts aber ist der langsame Satz, das Adagio. "Der beginnt mit diesem berühmten Tutti und endet auch wieder mit dem Tutti. Und die Geige intoniert während des ganzen langsamen Satzes einen ständigen Gesang – in dieser einzigartigen Bach'schen cis-Moll Atmosphäre. Die Geige führt das Ganze Geschehen, sie führt durch alle freudigen und traurigen Momente", sagt Frank Peter Zimmermann.

Jesus in der Wüste

Einen ganz berührenden Augenblick findet man in der Mitte des Satzes, wenn Bach die Passage der Sologeige in gis-Moll enden lässt, danach aber in E-Dur weitergeht. "Diese Stelle nehme ich eine Spur ruhiger", erklärt Frank Peter Zimmermann. "Da muss dann auch das Orchester noch etwas mehr Pianissimo drauflegen. Da gibt es einen ganz besonderen Moment, eine ganz besondere Farbe, wo man sich wahrscheinlich wirklich fühlen sollte, als wäre man schon im Jenseits oder im Nirwana. Ich sehe da irgendwie immer Jesus in der Wüste. Es hat etwas Unaussprechliches – dann steht die Welt still." Im Gegensatz zum ersten Satz, wo sich solistische mit Tutti-Passagen abwechseln, dominiert die Solo-Geige das Geschehen im gesamten langsamen Satz. Sie schwebt geradezu über den restlichen Streichern. "Es ist schon eine unglaubliche Komposition", schwärmt Zimmermann. "Die konnte auch nur Bach schreiben."

Ritt auf der Rasierklinge

Nach diesem "kunstvoll eingefassten, fein geschliffenen, vielfarbig irisierenden Juwel", wie der Musikwissenschaftler Günther Metz den 2. Satz mal beschrieb, folgt der letzte Satz des Konzerts: ein Allegro assai im 3/8 Takt. Frank Peter Zimmermann sagt dazu: "Bach wollte nach diesen beiden komplexen Sätzen als dritten Satz scheinbar nur einen Kehraus schreiben, der es aber auch in sich hat. Die Soli für die Geige in diesem ziemlich raschen Tempo – er schreibt extra 'allegro assai' – sind wirklich immer so ein Ritt auf der Rasierklinge, möchte ich fast sagen: Das ist eigentlich ein Satz, den man jeden Tag wirklich eine halbe Stunde erstmal langsam immer wieder üben sollte."

Immer elegant

Frank Peter Zimmermann erhält "Général Dupont, Grumiaux" Stradivari von chinesisch-deutschem Unternehmer als Leihgabe | Bildquelle: KünstlerSekretariat am Gasteig Frank Peter Zimmermann spielte eine Zeitlang auf der "Général Dupont, Grumiaux" Stradivari. Seine wirklich Stimme ist die "Lady Inchiquin". | Bildquelle: KünstlerSekretariat am Gasteig Formal betrachtet ist der dritte Satz des E-Dur Violinkonzerts von Bach ein Rondeau. Eine Herausforderung für die Musiker: Wie gestalten sie die immer wiederkehrenden Refrains? Frank Peter Zimmermann verrät, wie er dies handhabt: "Der Refrain kommt fünfmal vor; da denke ich, man sollte ihn auch fünfmal anders spielen: Am Anfang eher leiser, beim zweiten Mal etwas mehr, beim dritten Mal dann richtig forsch, beim vierten Mal spiele ich den Refrain im Mezzoforte und dann wird es ganz leise. Denn das letzte Solo fängt auch sehr leise an und wird dann richtig virtuos; das stellt einige technische Herausforderungen. Es sind einige ganz unmögliche Sachen dabei, und doch muss alles stets elegant klingen."

Auch wenn der dritte Satz technisch sehr anspruchsvoll ist: Für Frank Peter Zimmermann stellt ein anderer Satz die größte Prüfung dar: "Die Herausforderung ist schon der Kopfsatz. Aber das Größte als Komposition ist natürlich der zweite. Man merkt jedes Mal, dass die Leute wirklich gebannt und konzentriert zuhören – und das ist eigentlich das Schönste für mich."

Musik-Info

Johann Sebastian Bach:
Konzert für Violine, Streicher und Continuo E-Dur, BWV 1042


Frank Peter Zimmermann (Violine)
Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Radoslaw Szulc

Sendung: "Das starke Stück" am 12. Januar 2020, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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