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Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 5 c-Moll, op. 67

1977. The Sound of the Earth. Eine vergoldete Schallplatte, haltbar für mindestens 500 Millionen Jahre, wird in die unendlichen Weiten des Alls geschossen an Bord der Raumsonde Voyager II. Seitdem kreist Beethovens 5. Symphonie im Universum. Ein symphonischer Mythos.

Franz Klein (1779-1840), Beethoven-Büste, 1812 - Nachguß von H. Leidel | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn

Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn

Das starke Stück zum Anhören

"König und Hof waren trübe gestimmt; auf dem ganzen Publikum lastete der düstere Druck einer Ahnung von nahen Gefahren und Umwälzungen. Wie die Stimmung im Saale immer drückender ward, frug ich endlich ganz entsetzt vom Dirigierpult herab meine zunächst sitzenden Musiker: 'Mein Himmel, was sollen wir tun?' Da raunte mir der Geiger Lipinksi zu: 'Warten Sie nur - beim ersten Strich der c-Moll ist alles fort!' Und richtig: Die Sinfonie beginnt, welches Aufjauchzen, welche Begeisterung! Aller Druck ist gehoben, Lebehochs auf den König – und wie erlöst verließ die jubelnde Menge das Haus. Das ist das Unsägliche dieser Kunst."

Pathos der Revolution

Das Unsägliche dieser revolutionären Kunst! Hoch soll er leben! König August von Sachsen! Ein revolutionsgefährdeter König, denn eine solche schien schon in der Luft zu liegen in Dresden 1849. Sein königlicher Kapellmeister hatte wenig später viel zu tun. Er verteilte Flugblätter, verfasste Zeitungsartikel über das Wesen der Revolution. "Herr Kapellmeister, der Freude schöner Götterfunken hat gezündet", rief ihm da ein Revolutionär schließlich an einer Barrikade zu. Sein Arbeitsplatz war in Flammen aufgegangen. Das Opernhaus. Im Exil widmete sich Richard Wagner dem Kunstwerk der Zukunft – der Revolution der Oper. Beethoven? Richard Wagner war überzeugt davon, "dass Beethoven zunächst den Plan einer Sinfonie nach einer gewissen philosophischen Idee aufgenommen und geordnet habe."

Alle Beethoven-Symphonien sind revolutionär.
Roger Norrington

Revolutionsmusik – Schicksals-Symphonie?

Sir Roger Norrington | Bildquelle: Manfred Esser Roger Norrington | Bildquelle: Manfred Esser Die Verknüpfung von Musik und Politik und Politik und Musik sollte zum Leitmotiv des 19. Jahrhunderts werden. Auch die Fünfte schien das Pathos der Revolution zu atmen. "C'est l'Empereur, vive l'Empereur", soll in Paris ein alter Grenadier ausgerufen haben. Er hatte Napoleon gemeint. Beethoven? Hätte vermutlich einen Wutanfall bekommen. Er hatte ja das Titelblatt mit der Widmung der "Eroica" auf Napoleon zerrissen, nachdem dieser sich zum Kaiser gekrönt hatte. So weit, so anekdotisch. Anton Schindler, Beethovens unbezahlter Privatsekretär, überlieferte schließlich eine Geschichte, die nicht besser hätte erfunden werden können: Anfang eines musikalischen Mythos. Opus 67. "Schicksals-Symphonie". Was sagt der Dirigent Roger Norrington dazu? "Alle Beethoven-Symphonien sind revolutionär. Auch die Erste mit diesem komischen Anfang, die Zweite, die Dritte – Wahnsinn!, Vierte – sehr interessant – und so weiter. Alle neun sind revolutionär. Und vielleicht oft sehr schockierend für das Publikum. Die 'Eroica' war sehr schockierend. So lang und so laut. Und auch die Fünfte ist sehr modern. Aber sie war für das Publikum leichter, denn die 'Eroica' hatte man ja schon gehört."

Vier Töne – ein Motto

Welch ein Lärm! Die Symphonie eines Revolutionszeitalters? Die Fünfte hatte Beethoven 1804 begonnen. Viele Skizzen verwarf er, bis er jenes Klopfmotiv gefunden hatte. Unerhört! Keine Melodie. Vier Töne bloß. Genial ausformuliertes Gedankenspiel im ersten Satz der Symphonie mit der Nummer fünf. Unerhört logisch, doch niemals berechenbar oder langweilig. Die Zeitgenossen waren verstört. Musik, die nicht zu bremsen zu sein schien. Und auf der ersten Seite der Partitur hatte Beethoven das Tempo festgelegt: "Allegro con brio" – "mit Feuer". Halbe gleich 108 nach Johann Nepomuk Mälzels Metronom. "Es ist so schnell", sagt Roger Norrington. "Aber das ist von Beethoven und nicht von mir. Norringtons Tempi: nein. Beethovens Tempi. Er hat gesagt, dass das Metronom sehr wichtig für die Zukunft seiner Symphonien sein würde. Und nur mit diesen Tempi funktioniert diese Symphonie."

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Eine Hymne mit viel Pomp

Ludwig van Beethoven | Bildquelle: dpa-Bildfunk Ludwig van Beethoven, Porträt von Ferdinand Waldmüller, 1823 | Bildquelle: dpa-Bildfunk Beethoven schien einen "neuen Weg" einschlagen zu wollen im Zeitalter der Revolution. Als er ertaubte, sah er sich gezwungen, schon mit 28 Jahren ein Philosoph zu werden. Seine Briefe? Voll von Formeln, mit denen er dem Schicksal "trotzen" oder gar "in den Rachen greifen wolle". Und er skizzierte und skizzierte und skizzierte, bis er jenes  Motiv gefunden hatte. So umstürzlerisch modern, ob es ein wohlgeordnetes Gefüge aus den Angeln gehoben werden sollte. Jenes Klopfmotiv hatte sich übrigens auch in einem Heft mit offizieller französischer Revolutionsmusik befunden, wie sie auch Beethoven besaß. Da wurde mit viel Pomp eine Hymne angestimmt. Feierlicher Schwur für die Republik und die Erklärung, notfalls auch für die Rechte des Menschengeschlechts sterben zu wollen.

Inbegriff heroischer Musik

Verstanden die Zeitgenossen Beethovens revolutionären Fingerzeig? War dies etwa politische Musik? Vermutlich nicht. Es war eine Musik, die den "Elan terrible" jenes Zeitalters zu atmen schien. Grell, bizarr, verstörend laut. Nach dem ersten Konzert sei es kaum möglich, etwas darüber zu sagen. Dies bemerkten die ersten Hörer und Kritiker etwas ratlos. Später sollte sie im Konzertsaal als Inbegriff heroischer Musik missbraucht werden. Durch Nacht zum Licht. Hatte sich im Finale nicht schließlich so etwas wie eine Volksversammlung ereignet? "Man solle seine Todfeinde eine Symphonie mitspielen lassen. Und sie würden von geheimer Sympathie umschlungene Brüder sein können, wenigstens solange als die Symphonie dauert", hatte ein Liberaler im Vormärz einmal geschrieben – in Anspielung auf Beethovens Neunte.

Von Moll nach Dur. Ein triumphaler Marsch schließlich erklingt zum Schluss der Fünften. Und Beethoven? Über ein mögliches Programm schwieg sich der ertaubende Komponist aus. Aber er wusste sehr genau um die Wirkung einer Bläser-Besetzung, die der eines Militärorchesters der Revolution aus Frankreich entsprach: "Das letzte Stück der Sinfonie ist mit 3 Posaunen und Flautino", schrieb er dazu; "zwar nicht 3 Pauken, wird aber mehr Lärm als 6 Pauken und zwar bessern Lärm machen.“

Musik-Info

Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 5 c-Moll, op. 67


London Classical Players
Leitung: Sir Roger Norrington
Label: EMI

Sendung: "Das starke Stück" am 25. Mai 2021, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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