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Johannes Brahms Symphonie Nr. 2

Das Komponieren von Symphonien ist Johannes Brahms nie leichtgefallen. Die Vollendung seiner Ersten war sogar ein richtiger Kampf, ein Ringen mit den großen Vorbildern der Vergangenheit, insbesondere mit Beethoven. Bei der Zweiten scheint dann der Knoten geplatzt. Während des Schaffensprozesses 1877 am Wörthersee sagt Brahms sogar, es sei dort so schön und harmonisch, dass die Melodien geradezu in der Luft herumflögen. Florian Heurich hat sich mit der Dirigentin Simone Young über diese Symphonie unterhalten, deren positive Grundstimmung und pastorale Fröhlichkeits trügerisch sind.

Johannes Brahms | Bildquelle: Christian Martin Schmidt: "Johannes Brahms und seine Zeit", Laaber 1983

Bildquelle: Christian Martin Schmidt: "Johannes Brahms und seine Zeit", Laaber 1983

Das starke Stück zum Anhören

"Ich denke leicht lächelnd zurück an ein Orchester, mit dem ich vor ein paar Jahren diese Symphonie einstudiert habe", sinniert Simone Young. "Die ersten zwanzig Minuten habe ich gebraucht, bis die Kontrabässe wirklich davon überzeugt waren, dass der Anfang absolut Pianissimo sein soll. Es ist zwar eine positiv gestimmte Melodie, aber wenn man sie tatsächlich in der vorgegebenen Dynamik spielt, schwebt schon eine gewisse Wehmut über dem Ganzen. Ich finde, wer die Zweite für eine heitere Symphonie hält, hat das Werk nicht verstanden."

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Dieses Nachdenken, diese Nostalgie ist ein sehr wichtiger Teil dieser Symphonie.
Simone Young

Wörthersee | Bildquelle: © woerthersee.com, Steinthaler Gert Der Wörthersee in Kärnten. Hier empfing Brahms die Anregung für Symphonie Nr. 2. | Bildquelle: © woerthersee.com, Steinthaler Gert Trotzdem gilt die Zweite Symphonie oft ein eher froh gestimmtes Werk des großen Grüblers Brahms. Ist dieses in der friedlichen Umgebung des Wörthersees entstandene Werk also ein pastorales Idyll? Durchaus auch das! Aber Brahms wäre nicht Brahms, wenn er nicht die irdische Schönheit ins Universelle weiten würde. Wenn sich nicht im Wohllaut auch eine heimliche Träne verbergen würde. Simone Young sagt dazu: "Schon das Nachdenken, das ich persönlich immer empfinde, wenn man einen schönen See oder Wasser anschaut, dieses Nachdenken, diese Nostalgie ist glaube ich ein sehr wichtiger Teil dieser Symphonie." Und das Wogen des Wassers meint man auch im sanft wiegenden Rhythmus des Kopfsatzes zu hören.    

Wunsch nach etwas Unerreichbarem

Insbesondere im zweiten Satz, einem sehnenden Adagio, schwingt der Wunsch nach etwas Unerreichbarem mit. Ist es die Naturidylle, die Brahms für kurze Zeit in Kärnten gefunden zu haben glaubt? Aber auch diese entpuppt sich als Utopie, als etwas, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Ein tiefer Ernst liegt auch in diesem eigentlich hellen H-Dur-Satz. "Für mich das Adagio der Zweiten Symphonie einfach eine der größten Sachen, die im 19. Jahrhundert komponiert wurden", schwärmt Simone Young. "Hier zeigen sich die Muster für die ganzen brucknerschen langsamen Sätze, die danach kommen."

Kurze Auflockerung

Dirigentin Simone Young | Bildquelle: © Monika Rittershaus Simone Young | Bildquelle: © Monika Rittershaus Der dritte Satz mit seinem tänzerischen Rhythmus, überschrieben "Allegretto grazioso", erscheint als eine kurze Auflockerung zwischen den großen, bedeutungsvollen Gedanken dieses Werks. Aber auch hier: Brahms lässt der Heiterkeit niemals freien Lauf. "Er spielt mit uns die ganze Zeit", sagt Simone Young. "Es ist ein bisschen wie ein Spiel mit einem Spiegel. Nichts ist, wie es scheint. Für das Orchester ist das immer eine Herausforderung. Vom Metrum her ist es wahnsinnig schwer. Die Musiker klagen immer, dass es in dem Satz es ist total leicht ist, sich zu verzählen. Brahms gibt uns eine Melodie, die eigentlich einfach ist. G-Dur, die einfachste aller Tonarten. Und dann macht er durch dieses Spiel mit dem Rhythmus und den Zeitverhältnissen aus etwas Einfachem ein kleines Kunstwerk. "

Ein fieberndes Finale

Beim abschließenden vierten Satz handelt es sich zwar um ein wirkungsvolles Finale, doch die brahmssche Tiefsinnigkeit und das Grübeln über den großen Gestus der Musik steckt auch in diesem Schlusssatz. "Es ist der Satz, der am ehesten eine positive Stimmung hervorruft", findet Simone Young. Aber trotzdem: Ab dem zweiten Drittel gibt es einen langsamen Abbau. Das ist kein einfaches, triumphales Finale. Man könnte sagen, dieser Satz fiebert. Er jubelt nicht, es fiebert. Und das ist für mich ein wichtiger Unterschied." 

Befreiung vom großen Vorbild

Ein Ringen um die große symphonische Form. Und zugleich ein persönlicher Triumph, sich neben den übermächtigen Vorbildern der Vergangenheit zu behaupten – man spürt beides in Brahms' 2. Symphonie. "Dass er stark von Beethoven beeinflusst wurde, ist ja klar", sagt Simone Young abschließend. "Aber auch von Schubert, und ein wenig von Schumann. Aber letztlich hat sich Brahms in seiner Zweiten Symphonie weit entfernt von der Last der Beethoven-Symphonien. Wobei – es gäbe schlechtere Vorbilder."

Musik-Info

Johannes Brahms:
Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 73


Philharmoniker Hamburg
Leitung: Simone Young

Label: Oehms Classics

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