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Max Bruch Violinkonzert Nr. 1 g-Moll

Manchmal kann ein Werk auch einfach zu beliebt sein – sehr zum Ärger beispielsweise von Max Bruch. Denn alle Welt interessierte sich nur für dessen Erstes Violinkonzert. Dabei fand Bruch persönlich sein Zweites und Drittes Violinkonzert mindestens genauso gut. Antje Weithaas hat sich eine Gesamteinspielung mit allen Violinwerken des Komponisten vorgenommen, in der natürlich das Erste Konzert nicht fehlen durfte. Über das Besondere dieses Opus hat sich Julika Jahnke mit der Geigerin unterhalten.

Komponist  Max Bruch | Bildquelle: picture alliance / akg-images

Bildquelle: picture alliance / akg-images

Das Starke Stück zum Anhören

Die Form und die vielschichtige Harmonik zeichnen Max Bruchs Meisterwerk aus. Aber dass ausgerechnet dieses Konzert jedem, der es hört, derart in Erinnerung bleibt, hat noch einen anderen Grund, meint Antje Weithaas: "Er hat natürlich auch ein Talent, wirklich wunderschöne Melodien zu erfinden, die wirklich einem im Ohr bleiben. Wenn man den zweiten Satz gespielt hat, kriegt man ihn ja gar nicht mehr aus dem Ohr. Und auch die dynamische Bandbreite, die Orchestrierung: Das  ist wunderbar gemacht, sehr farbig."

Komplizierte Entstehungsgeschichte

Ein melancholisches Konzert voller Sehnsucht und – je nach Gemütsverfassung des Hörers – auch voll Weltschmerz. Damit ist Bruchs g-Moll-Konzert natürlich ein echtes Vorzeigestück der Romantik. Der Geiger Joseph Joachim, ein Freund von Johannes Brahms und einer der großen Musiker seiner Zeit, hat vor allem in den Ecksätzen die Solostimme virtuosengerecht bearbeitet. Bruch hatte bald richtig Angst, man könne denken, an dem Werk könnten andere stärkeren Anteil haben als er selbst. So versuchte er auch, die komplizierte Entstehungsgeschichte, so gut es ging, geheim zu halten und unliebsame Briefwechsel darüber aus dem Verkehr zu ziehen.

Wenn man den zweiten Satz gespielt hat, kriegt man ihn ja gar nicht mehr aus dem Ohr.
Antje Weithaas zu Bruchs Violinkonzert g-Moll

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Rasffinierte Harmonik

Antje Weithaas | Bildquelle: Marco Borggreve Antje Weithaas | Bildquelle: Marco Borggreve Besonders der dritte Satz lässt allerdings sehr den Einfluss Joseph Joachims spüren – ein ungarischer Tanz, der an die Heimat des Geigers erinnert: Budapest. Außerdem ist dieser Schlusssatz ein brillantes Bravourstück für den Virtuosen. Antje Weithaas erkennt in diesem Satz aber auch die Handschrift Max Bruchs: Er ist in seiner Orchestrierung sehr differenziert, die Harmonik ist raffiniert gestaltet, wie Antje Weithaas hervorhebt:
"Was ich wahnsinnig interessant finde, ist dass er ja in der Tonart des zweiten Satzes anfängt – und dann auf einmal in dieser sehr dramatischen, spannungsgeladenen Atmosphäre Richtung G-Dur geht. Der Satz ist sehr virtuos für die Geige geschrieben, aber auch sehr orchestral durchwoben. Er liebt das Horn, er liebt die Celli, auch die Kombination von beiden. Und diese Ästhetik einer die Instrumente umspielenden Solovioline, das hat einen unglaublichen klanglichen Reiz und großen Charme."

Aufführungen  überall

Bald gab es Aufführungen des Konzertes in vielen Städten; die großen Geiger der Zeit spielten es gerne, darunter auch Ferdinand David in Leipzig. Das Werk war sogar so oft zu hören, dass Bruch es schon verbieten lassen wollte. Es kränkte ihn, dass seine anderen Werke viel weniger Beachtung fanden. Und dann beging er auch noch einen fatalen strategischen Fehler. Er verkaufte die Rechte für 250 Taler an den Verleger August Cranz. So konnte er vom weiteren Erfolg des Werkes nicht profitieren. Ein größeres Geschenk hätte er dem Verleger mit diesem populären Konzert nicht machen können.

Wohldurchdachte Partitur

Dass dieses Konzert auch heute noch so häufig gespielt wird, machte es Antje Weithaas zunächst schwer, es für sich selbst noch einmal ganz neu zu entdecken. Mit umso größerem Eifer studierte sie die Partitur – und mit Freude, weil das Opus so wohldurchdacht ist: "Vor allem besitzt es einen sehr innigen und tiefen Ausdruck. Das war eigentlich für mich die Herausforderung, als ich mich jetzt noch mal mit dem Ersten Konzert beschäftigt habe: dass man von den Traditionen ein bisschen weggeht, sich wirklich noch mal neu mit der Partitur auseinandersetzt – und dabei versucht, die sehr ehrlichen, innigen Feinheiten, herauszuholen."

Musik-Info

Max Bruch:
Violinkonzert Nr. 1 g-Moll, op. 26

Antje Weithaas (Violine)
NDR Radiophilharmonie
Leitung: Herrmann Bäumer
Label: cpo

Sendung: "Das starke Stück" am 13. Oktober 2020, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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