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Franz Liszt Klavierkonzert Nr. 1

Im Klavierwerk Franz Liszts nimmt das Erste Klavierkonzert eine ganz besondere Stellung ein. Darin sind zum einen seine ersten, erfolgreichen Jahre als Klaviervirtuose zu spüren – zum anderen aber auch sein später symphonischer Stil. Denn Liszt hat fast 20 Jahre lang daran gearbeitet. Der armenische Pianist Vardan Mamikonian mag dieses Starke Stück sehr. Warum, das hat er Julika Jahnke erzählt.

Franz Liszt | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Die Sendung zum Anhören

"Seit meiner Kindheit spielt Liszt eine ganz wichtige Rolle in meinem Leben und meinem Repertoire. Vielleicht ist es etwas Intuitives, aber ich habe mich immer sehr wohl dabei gefühlt, Liszt zu spielen."  Der Konzertpianist Vardan Mamikonian darf sich durchaus wohlfühlen, wenn er Liszt spielt, aber aufpassen muss er trotzdem. Besonders im Ersten Klavierkonzert. Denn darin muss er einem symphonischen Orchester gehörig Paroli bieten. Liszt hat beide Parteien – Klavier und Orchester – eng miteinander verzahnt. Zum ersten Mal spielte Mamikonian das Konzert im Alter von 14 Jahren als Solist vor Publikum. Das war noch in seiner Heimat Armenien. Seitdem hat er es viele Male mit Orchester aufgeführt. "Ich mag den Dialog zwischen Orchester und Klavier darin", freut sich Mamikonian. "Sie haben so eine enge Beziehung zu einander, eine ganz neue Art der romantischen Musik, so offen. Und ich mag die Begeisterung, dieses Hochgefühl in diesem Konzert."

Kontroverse zwischen Klavier und Orchester

Der Pianist Vardan Mamikonian | Bildquelle: © Kaupo Kikkas Vadan Mamikonian | Bildquelle: © Kaupo Kikkas Es ist ein Werk, das Franz Liszt in seinem Leben lange begleitet hat. Angefangen mit der Arbeit hatte er schon als knapp 20-Jähriger: in seiner großen Virtuosenzeit. Dann dauerte es noch fast 20 Jahre, bis Liszt den Orchesterpart hinzufügte, das war im Jahr 1848. Inzwischen war er ein gereifter Komponist und hatte die Form der Symphonischen Dichtung für sich entdeckt. Er fand sie viel interessanter als gängige Symphonie- und Konzertformen und ließ sie daher auch in dieses Konzert mit einfließen. Doch die Arbeit am Ersten Klavierkonzert war auch jetzt noch nicht abgeschlossen: In den Jahren vor und nach der Uraufführung feilte Liszt aufs Neue sehr intensiv an diesem Meisterwerk. Vardan Mamikonian fasziniert schon der erste Einsatz des Klaviers: "Das stellt sich dem Orchester entgegen und sagt: 'Nein, ich bin hier. Das ist es, was ich sagen will.' Es ist interessant, was Liszt über den Anfang des Werkes gesagt hat. Zuerst spielt das Orchester. Und Liszt schrieb darunter, dem Rhythmus des Orchesters entsprechend: 'Das versteht Ihr alle nicht!' Und dann kommt der Pianist und sagt wieder etwas ganz Anderes. Als ob er Kontra gibt. Sie fordern sich heraus, das Orchester und das Klavier."

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Unglaubliche Entdeckungen

"Dieses Konzert hat etwas ganz Neuartiges", fährt Mamikonian fort. "Es ist mehr eine Symphonische Dichtung. Der Orchesterpart ist hier sehr wichtig und gehaltvoll. Und Liszt machte unglaubliche Entdeckungen in diesem Konzert. Er verwendete ganz neuartige Instrumente, etwa die Triangel. Deswegen nannte der Kritiker Hanslick das Konzert, weil er es nicht mochte, auch das Triangel-Konzert."

Liszt, der begeisterte Dirigent

"Franz Liszt am Dirigentenpult". Lithographie, undatiert, von Carl Hoffmann. | Bildquelle: picture-alliance / akg-images "Franz Liszt am Dirigentenpult". Lithographie, undatiert, von Carl Hoffmann. | Bildquelle: picture-alliance / akg-images Die konservativen Kreise in der damaligen Kulturszene empfanden das Konzert als Affront. Sie fanden, Liszt hätte das Orchester viel zu wichtig genommen – im Vergleich zum Klavierpart. Doch auch die Form des Konzertes entsprach so gar nicht mehr dem klassischen Schema. Immerhin spürt man im Klavierpart noch das große Vorbild Liszts: den späten Beethoven. Und genau wie er entwickelt auch Liszt sein Konzert aus einem einzigen musikalischen Grundgedanken heraus. Doch in der Umsetzung des Werkes schlägt Liszt einen Sonderweg ein. Sein Hang zum Improvisieren führt ihn dazu, den Klavier- und Orchesterpart eng mit einander zu verflechten. Er macht sie zu einer Einheit. "Liszt hat immer eher orchestral als pianistisch gedacht", erklärt Mamikonian dazu. "Für ihn war das Klavier auch ein großes Orchester. Und er dirigierte mit Begeisterung. Das war eine seiner größten Leidenschaften. Er trat später immer seltener als Pianist auf und fast nur noch als Dirigent."

Von Berlioz gelernt

Bei der Uraufführung des Konzertes, am 17. Februar 1855, stand Liszt jedoch nicht vor dem Orchester. Damals, im Kleinen Saal des Weimarer Schlosses, saß er am Klavier. Das Orchester leitete sein Freund Hector Berlioz, was man als kleines Augenzwinkern der Geschichte sehen könnte. Denn immerhin ist es auch Berlioz zuzuschreiben, dass Liszt für sein Konzert eine so innovative Form gefunden hat. Liszt hatte in den Jahren davor viel von Berlioz gelernt, in der Instrumentation und der künstlerischen Herangehensweise.

Liszt wollte die Freiheit und Schönheit der Seele zeigen, und die unendliche Liebe Gottes.
Vadan Mamikonian

Humanistische Musik

Dass Liszt in erster Linie ein Tastenlöwe gewesen sein soll, das hält Vardan Mamikonian für falsch. Natürlich war er ein Virtuose, aber auch ein Komponist mit einem sehr hohen humanistischen Anspruch: "Meine Lehrer spielten sehr viel Liszt und ermutigten mich immer, ihn nicht nur als großen Virtuosen zu lieben, sondern auch seine musikalische Seite zu zeigen, die weniger bekannt ist. Oft denken die Leute, das ist große Virtuosenmusik, sehr laut, schnell und kräftig. Aber Liszt selbst war gar nicht so. Er war sehr tiefgründig und religiös. Er wollte die Freiheit und Schönheit der Seele zeigen, und die unendliche Liebe Gottes."

Musik-Info

Franz Liszt: Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur

Vardan Mamikonian (Klavier)
hr-Sinfonieorchester
Leitung: David Stahl

Label: Orfeo

Sendung: "Das starke Stück" am 2. Februar 2021, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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