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Robert Schumann Liederkreis op. 24

Es war eines der produktivsten Jahre in Robert Schumanns Künstlerleben: das Jahr 1840. Es war vor allem ein Jahr der Lieder. In dem Dichter Heinrich Heine hatte Schumann einen verwandten Geist gefunden. Als Gipfel seiner Auseinandersetzung mit Heine entstand schließlich die "Dichterliebe". Aber auch im wenige Monate zuvor komponierten Liederkreis op. 24 klingt schon vieles an, was später den Liedkomponisten Schumann ausmacht. Florian Heurich hat sich mit dem Bariton Thomas Hampson über Schumanns sogenannten "kleinen Heine-Liederkreis" unterhalten.

Gemälde von Josef Kriehuber, 1839 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das Starke Stück zum Nachhören

Für Thomas Hampson ist 1840 innerhalb Schumanns Schaffen ein wahrhaftiges "Jahr der Wunder", und dieses Jahr begann eben mit der Komposition des Liederkreises. "Wir haben im Opus 24 meines Erachtens eine duftige Vorahnung, wohin sich Schumann als Liedkomponist wirklich entwickeln wird", sagt der Bariton. "Und es gibt irrsinnig schöne Melodieeinfälle, die thematisch immer wieder auftauchen in Schumanns späteren Liedern."

1840 - das Hochzeitsjahr

In den Jahren zuvor hatte Schumann fast ausschließlich Klaviermusik komponiert und sich in seinen Ausdrucksmöglichkeiten mehr und mehr eingeschränkt gefühlt. Als er schließlich die Lyrik Heinrich Heines und dessen "Buch der Lieder" für sich entdeckt, ist es, als ob sich ein Knoten löst; der Liederkreis op. 24 ist schwärmerischer erster Ausdruck einer neuen Hochstimmung Schumanns und eines bislang kaum gekannten Tatendrangs. "Ach, Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lang entbehrt", schreibt Schumann an seine Braut. Noch im selben Jahr 1840, das künstlerisch und privat so wichtig ist für den Komponisten, wird er Clara heiraten.

Schubert und Schumann

Thomas Hampson | Bildquelle: Kristin Hoebermann Thomas Hampson | Bildquelle: Kristin Hoebermann Schumanns Vertonungen schlagen meist einen viel sanfteren, hoffnungsvolleren Ton an als Heines Gedichte, in denen es doch vor allem um gescheiterte und schmerzvolle Liebe geht, und aus denen oft eine gewisse Bitterkeit spricht. "Wir dürfen nie unterschätzen, wieviel Einfluss Schubert auf Schumann hatte", erklärt Hampson. "Durch das ganze Opus 24 zieht sich irgendwie dieses Thema des Wanderns, und der verschiedene Landschaften, denen man auf seinem Weg begegnet -  Liebeslandschaften natürlich, aber auch echte Landschaften. Die Bildersprache kommt sehr häufig vor: Welche Farben, welche Naturereignisse stehen für welche innerliche Erfahrung. Und das ist eine sehr raffinierte Entdeckung in diesen Liedern. Ich glaube, das Ziel von Schumann war diese Wandererperspektive, ähnlich wie in Schuberts Liedern nach Gedichten von Müller. Und ich glaube auch, Müller in seiner Verwandtschaft zu Heine hat Schumann sehr angesprochen."

Träumerei und Ungeduld

Die Sammlung der neun Lieder beginnt mit der beunruhigten Frage des verschmähten Liebenden, ob seine Angebetete wohl kommen wird. Schumann fasst Heines Text in sehnsuchtsvoll träumerische Klänge, die im zweiten Lied einer fieberhaften Ungeduld weichen. Die Wanderung durch die Seelenlandschaft des verzweifelt Liebenden führt durch die Trostlosigkeit in "Ich wandelte unter Bäumen" bis zur Todessehnsucht, wenn in "Lieb‘ Liebchen, leg’s Händchen" die Herzschläge des Wanderers mit dem Hämmern eines Sargbauers gleichgesetzt werden - das Klavier klopft gleichsam die Nägel ins Holz.

Versöhnliche Zukunftsvision

Robert und Clara Schumann | Bildquelle: Ernst Burger: "Robert Schumann. Eine Lebenschronik in Bildern und Dokumenten", Mainz 1998 Robert und Clara Schumann | Bildquelle: Ernst Burger: "Robert Schumann. Eine Lebenschronik in Bildern und Dokumenten", Mainz 1998 Die beiden nächsten Lieder bilden den schmerzerfüllten, zentralen Höhepunkt des Zyklus: Bevor Sarkasmus, Ironie und Verbitterung triumphieren, lässt Schumann den Schmerz in Heines Lyrik noch einmal in einer wunderbar wiegenden Melodie fast als sanftes Liebeslied erklingen. Am Ende des Zyklus leitet schließlich ein kurzes, letztes stoisches Verzagen in das Schlusslied über: "Mit Myrthen und Rosen". Der Dichter verschließt seine von unglücklicher Liebe durchdrungenen Lieder in einem Totenschrein. Während aus Heines Versen Resignation spricht, klingt in Schumanns Musik eine versöhnliche Zukunftsvision an, die sich in nostalgische Träumerei auflöst. Und der Zyklus schließt sich auch im harmonischen Sinne, wenn Schumann am Ende zur Anfangstonart D-Dur zurückfindet.

Vorstufe der "Dichterliebe"

Mit Schumann und Heine haben zwei große romantische Geister zueinandergefunden. Schumann widmet seinen Liederkreis op. 24 einer künstlerischen Weggefährtin, der Sängerin Pauline Viardot. Auch an Heine schickt er ein Exemplar, bekommt jedoch keine Antwort, und es ist nicht sicher, ob der Dichter die Ausgabe überhaupt erhalten hat. Diese neun frühen Lieder können durchaus als Vorstufe der wenige Monate später entstandenen "Dichterliebe" verstanden werden, in der sich Schumann noch intensiver mit Heine auseinandersetzt.

Schumanns und Heines Ironie

Heinrich Heine | Bildquelle: picture-alliance/dpa Heinrich Heine | Bildquelle: picture-alliance/dpa "Es wird auch sehr oft vermutet und behauptet, dass der Schumann nicht ganz die Ironie und den Sarkasmus von Heine verstanden hat. Ich bin nicht ganz dieser Ansicht", meint Thomas Hampson. "Ich glaube, dass er das sehr wohl verstanden hat, dass aber er subtiler und vorsichtiger umgegangen ist in seinen früheren Werken nach Texten von Heine. Das ist der springende Punkt und der Treibstoff des späteren Heine’schen Zyklus [der "Dichterliebe"]: diese romantische Ironie, die Zerrissenheit und die verspaltete Realitätswahrnehmung. Und irgendwie das kann man nicht von Schumanns persönlichem Leben trennen. Und auch Heines Einstellung zum Menschen ist davon geprägt. Die beiden haben einander auf jeden Fall in diesem Sinne, sogar praktischen Sinne, gefunden."

Nicht interpretieren, sondern verstehen

"Ich singe Schumanns Heine-Lieder so ehrlich und offen durch meine Seele, wie ich kann", bekennt Hampson. "Aber für die Farbe ist letzten Endes nur Schumann verantwortlich. Natürlich kommt mein Talent als Facette dazu, aber es hat nichts mit mir im eigentlichen Sinne zu tun. Ich versuche nur das widerzugeben, was ich verstanden habe und bin nicht wirklich an dem Begriff 'Interpretation' interessiert. Für mich ist es eher ein Prozess von Entzifferung. Ich möchte verstehen, und wenn ich durch mein Verstehen die Liebe zu diesen Liedern kommunizieren kann, wird sich diese Liebe auch aufs Publikum übertragen."  

Musik-Info

Robert Schumann: Liederkreis op. 24

Thomas Hampson (Bariton)
Wolfgang Sawallisch (Klavier)
Label: EMI Classics

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