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4. April 1954 – Toscanini gibt sein letztes Konzert Abschied mit Aussetzer

Arturo Toscanini war bei Musikern gefürchtet für sein Temperament. Mit ungebrochener Energie und vollem Körpereinsatz stand er Jahrzehnte lang am Pult. Beim letzten öffentlichen Konzert, das der italienische Dirigent gab, kam es aber plötzlich zu einem unerwarteten Blackout.

Arturo Toscanini | Bildquelle: Idis

Bildquelle: Idis

Der Beitrag zum Anhören

Bei seinem letzten Konzert steht Arturo Toscanini in der Carnegie Hall, am Pult "seines" Orchesters, dem NBC Symphony Orchestra. Der Rundfunksender NBC hat es Jahre zuvor für ihn gegründet und überträgt das Konzert auch live im Radio. Bei den Proben hat der 87-jährige Toscanini nicht nur in bewährter Manier die Musiker zusammengestaucht, sondern auch sehr verbitterte Reden gegen den Sender gehalten. Offenbar hatte man ihm nahegelegt, mit dem Dirigieren aufzuhören, denn als Teil eines Medienkonzerns muss NBC Gewinne erwirtschaften, Symphonieorchester sind jedoch sehr kostspielig.

Konzert mit Blackout

Auf dem Programm des Konzerts steht Musik von Wagner: das Lohengrin-Vorspiel, Waldesweben, Siegfrieds Rheinfahrt und als vorletztes Stück das Venusberg-Bacchanal aus dem "Tannhäuser". Mitten in diesem Werk passiert es dann: Arturo Toscanini hört auf zu dirigieren.

Ruhig steht er am Pult, in Gedanken versunken, eine Hand hält er sich vor die Augen. Das Orchester sitzt plötzlich führerlos da und gerät ins Schwimmen. Dann steht vorne der erste Cellist auf und gibt die Einsätze, so dass das Orchester weiterspielen kann. Schließlich fängt sich Toscanini und dirigiert weiter. Der ganze Vorfall dauert kaum eine Minute.

Notprogramm wird gestartet

Toscanini dirigiert das NBC Symphony Orchestra am 5. März 1938 | Bildquelle: picture alliance/Everett Collection Dirigent Arturo Toscanini mit dem NBC Symphony Orchestra. | Bildquelle: picture alliance/Everett Collection Für die Hörer, die das Konzert live an den Radiogeräten mitverfolgen, ist Toscaninis Blackout wesentlich auffälliger. Die Senderegie blendet sich nämlich ziemlich bald aus dem Saalgeschehen aus. Nach einer längeren Pause sagt der Radiosprecher etwas von technischen Problemen und spielt danach Musik von Band ein: die Erste Symphonie von Johannes Brahms. Eine halbe Minute später, als klar wird, dass Toscanini wieder dabei ist, blendet die Regie einfach wieder in den Saal zurück.

Applaus vor leerem Pult

Das ist der berühmte Moment von Toscaninis Blackout. Was in dieser Minute in ihm vorgefallen sein mag, lässt sich nicht sagen. Am Ende des Konzerts geht er noch während der Schlussakkorde von der Bühne und bleibt verschwunden. Dem langen Applaus stellt er sich nicht. Es war sein letzter Auftritt. Danach hat Arturo Toscanini nie mehr öffentlich dirigiert. Wenige Monate später hat die NBC das Orchester aufgelöst und die Musiker entlassen.

Sendung: "Allegro" am 4. April 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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