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4. Januar 1872 - Richard und Cosima Wagner Liebe auf wackligen Beinen

Seit zwei Jahren sind Cosima und Richard ein Ehepaar. Der Alltag ist eingekehrt. Und auch, wenn Wagner seiner Frau noch immer Liebeserklärungen macht, beginnt es hinter der vermeintlich glücklichen Ehe-Fassade doch gewaltig zu bröckeln.

Cosima und Richard Wagner | Bildquelle:  picture alliance/Heritage Images

Bildquelle: picture alliance/Heritage Images

4. Januar 1872

Richard Wagner gesteht Cosima erneut seine Liebe

"Richard beschließt den Tag, indem er mir sagt: Ich liebe dich dionysisch und apollinisch" - schreibt Cosima Wagner am 4. Januar 1872 in ihr Tagebuch. Das Liebesgeständnis notiert Cosima kommentarlos, bürokratisch und nüchtern. Es steht in Anführungszeichen gesetzt zwischen dem tagesaktuellen Wetter, dem Krankheitszustand der Tochter und einer Erinnerung Wagners an eine Feier zu Ehren Beethovens. Eine Offenbarung, die bei Cosima nicht unbedingt so etwas wie ein Glücksgefühl hervorruft.

Ich liebe dich dionysisch und apollinisch.
Richard Wagner zu seiner Frau Cosima

Längst ein platonisches Verhältnis?

Blick auf das Festspielhaus in Bayreuth | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann 1872 wurde der Grundstein für das Bayreuther Festspielhaus gelegt. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann Cosima ist Richards Ohr, wenn er aus dem "Rheingold" vorsingt. Sie hat ihm eine Eva und eine Isolde geboren - und den ersehnten Stammhalter Siegfried. Seit fast zwei Jahren ist sie nun auch schon Wagners Ehefrau. Aber was einstmals begierig und feurig bei einer schaukelnden Kutschfahrt begann, wird mehr und mehr zu einem platonischen Verhältnis der Eheleute. Man könnte auch sagen: Der grüne Hügel ist im Begriff, den Venusberg abzulösen. Denn Cosima blüht auf in ihrer Rolle als Managerin des Festspielhauses in Bayreuth. In diesem Jahr soll der Grundstein dafür gelegt werden. Überhaupt dreht sich derzeit fast alles nur um das Haus. Ansonsten diskutiert Cosima auch mit Richard über die Schriften von Friedrich Nietzsche - soweit sie den Thesen des jungen Philosophieprofessors folgen kann.

Wagner in Frauenkleider

Franz Liszt | Bildquelle: picture-alliance/dpa Franz Liszt war der Vater von Cosima, Wagners zweiter Ehefrau. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Als Gattin eines Genies hat Cosima viel zu tun: Sie schreibt dem Mann die Freunde vor, prangert seine Verschwendungssucht an, formuliert Bittbriefe und notiert die Autobiographie von Richard. Sie hat in vielerlei Hinsicht die Hosen an, während Richard Wagner lieber heimlich Frauenkleider aus fleischfarbener Seide trägt und in Rosenduft badet. Und Richard? Macht ihn die Lustlosigkeit der Gattin traurig? Schwer zu beurteilen. Er liebt seine Cosima - und doch sieht er in ihr vor allem eine Schwester, vielleicht gar seine verstorbene Lieblingsschwester Rosalie. Ihr Antlitz erinnert ihn an seinen einstigen Helden Franz Liszt. Und im Innersten verbunden fühlt er sich sowieso nicht mit ihr. Richard lässt sich also ganz gerne von Cosima führen, erweckt aber für die Außenwelt den Anschein, das Oberhaupt der Familie zu sein.

Ehebruch vorprogrammiert

Den Part der Kundry in seinem Leben, also für die Verführung zuständig zu sein, diese Rolle wird bald schon eine andere übernehmen: die junge und hübsche Judith Gautier - Tochter eines Schriftstellers, poetisch begabt, impulsiv und eine Freundin der Familie. Noch steht Richard ihr nur in einer überaus herzlichen Korrespondenz nahe. Doch als Wagners "Ring des Nibelungen" in Bayreuth uraufgeführt wird, begegnen sich Judith und Richard wieder und beginnen eine Liebesaffäre - hinter Cosimas Rücken, versteht sich!

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Sendung: Allegro, am 4. Januar 2018, ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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