BR-KLASSIK

Inhalt

Was heute geschah – 5. März 1942 Schostakowitschs "Leningrader Symphonie" wird uraufgeführt

5. März 1942: die 7. Symphonie von Dmitrij Schostakowitsch, die sogenannte "Leningrader Symphonie" wird uraufgeführt. Aber nicht in Leningrad, sondern in Samara, einer Stadt tief im Osten, 1.500 Kilometer weit weg. Dahin hatte man Schostakowitsch gebracht, gegen seinen Willen. Er wäre lieber in Leningrad geblieben und hätte sich nützlich gemacht im Widerstand gegen die Deutschen. Doch ein Machtwort von Stalin lässt keine Widerrede zu.

Bildquelle: Pressefoto

Die Sendung zum Anhören

Der unberechenbare Josef Stalin, der so üble Spielchen mit Schostakowitsch spielt, ihn mal mit dem Tod bedroht und ihn mal hofiert – jetzt gerade braucht er ihn, den berühmtesten Komponisten des Landes. Die Welt soll merken, dass die russische Nation auch in schwierigster Lage zu Großem fähig ist. Er lässt Schostakowitsch also evakuieren, kurz bevor sich der Belagerungsring um Leningrad schließt. In Samara soll Schostakowitsch seine 7. Symphonie fertig schreiben, ein patriotisches Manifest soll sie werden: eine heroische Kriegssymphonie.

Moralischer Halt für die leidenden Menschen

Und Schostakowitsch? Natürlich muss er Stalin zu Diensten sein, wie immer. Natürlich schreibt er seine Symphonie fertig, die er in Leningrad begonnen hatte, um den leidenden Menschen einen moralischen Halt zu geben. Er schreibt sie nicht für Stalin, sondern für seine geliebte Heimatstadt, das alte, prächtige St. Petersburg. Die Menschen dort sind jetzt bereits seit einem halben Jahr von der deutschen Wehrmacht eingeschlossen. Die Getreidelager sind leer, in ihrer Not beginnen die Einwohner, Sägemehl und Leim zu essen, Ratten – und auch zu Kannibalismus kommt es.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Schostakowitsch: 7. Sinfonie (»Leningrader«) ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Klaus Mäkelä | Bildquelle: hr-Sinfonieorchester – Frankfurt Radio Symphony (via YouTube)

Schostakowitsch: 7. Sinfonie (»Leningrader«) ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Klaus Mäkelä

Patriotisches Manifest

Weit weg davon, weit im Osten hat Schostakowitsch sein patriotisches Manifest fertig gestellt, eine gewalttätige Musik, in die leise und hoffnungsvolle Töne eingewoben sind. Und Stalin? Ist für den Moment zufrieden mit seinem Staatskomponisten (was sich bald wieder ändern wird). Denn sein Kalkül geht auf: Auf abenteuerlichen Wegen gelangt die Partitur bis nach London und New York. Und die Welt hört ergriffen das Manifest eines ungebrochenen Widerstandsgeistes.

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

    AV-Player