BR-KLASSIK

Inhalt

Was heute geschah – 9. April 1897 Humperdinck und Wolf begegnen sich zum letzten Mal

Wien, 9. April 1897. Hugo Wolf knallt die Tür zu und stürmt davon. Irritiert blickt Engelbert Humperdinck ihm hinterher. Da rollt die Kutsche, in der er sitzt, auch schon los. Sie sind spät dran, denkt Humperdinck, das mit Wolf wird er ein andermal klären. Doch dazu soll es nicht mehr kommen.

Der Komponist Hugo Wolf.  Porträt von Clementin von Wagner (1902) | Bildquelle: picture alliance/akg-images

Bildquelle: picture alliance/akg-images

Die Sendung zum Anhören

Was war geschehen? Jahrelang waren sie befreundet gewesen. Humperdinck hatte den jüngeren Wolf als Liedkomponisten gefördert und unterstützt. "Ich halte ihn für einen Dramatiker von Gottes Gnaden", äußerte er sich begeistert über seinen Kollegen.

Zwei grosse Wagner-Fans

Der Komponist Engelbert Humperdinck. Foto, um 1885 (digital koloriert). | Bildquelle: picture alliance/akg-images Engelbert Humperdinck. Foto, um 1885 | Bildquelle: picture alliance/akg-images Außerdem schwärmten sie beide für die Oper. Ihr gemeinsamer Gott hieß Richard Wagner. Soweit alles gut. Dann aber schrieb Humperdinck seine Oper "Hänsel und Gretel" – und wurde zum Star. Wolf fühlte sich angespornt und schrieb ebenfalls eine Oper: "Der Corregidor". Doch die Uraufführung wird zum Fiasko, das Stück fliegt vom Spielplan und Wolf frisst den Gram in sich hinein. Als Humperdinck ihn am 9. April auf der Durchreise in Wien besucht, ist Wolf schweigsam. Auch im Restaurant benimmt er sich seltsam, erinnert sich Humperdincks Frau: "Er wechselte mehrmals den Platz, um, wie er angab, von Bekannten nicht gesehen zu werden, war reizbar und missgelaunt."

Gewaltig verschnupft

Nervös ist Wolf auch, als er Humperdinck am Nachmittag aus seiner Oper vorspielt. Humperdinck zeigt sich beeindruckt, unterbricht aber nach dem zweiten Akt: er wolle am Abend noch ins Theater. Gekränkt begleitet Wolf das Ehepaar zur Kutsche – und stürmt ohne Gruß davon. Er selbst schildert die Begegnung so: "Gestern fand sich Engelb. Humperdinck … in meiner Wohnung ein, um sich den Corregidor von mir vorspielen zu lassen, da er – natürlich! – zu arm ist, um sich ein Exemplar anzuschaffen… Wir kamen übrigens über ein Drittel der Oper nicht hinaus, da mich seine gänzliche Interesselosigkeit gewaltig verschnupfte."

Musik aus "Der Corregidor"

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Hugo Wolf: Der Corregidor Suite (1895) | Bildquelle: robt007 (via YouTube)

Hugo Wolf: Der Corregidor Suite (1895)

Wolfs Endstation – die Nervenheilanstalt

Humperdinck ahnt nichts von Wolfs Ärger. Er reist nach Budapest, wo er die fünfzigste Vorstellung von "Hänsel und Gretel" dirigiert. Als er nach Wien zurückkehrt, verbarrikadiert sich Wolf in seiner Wohnung. Was Humperdinck nicht weiß: Wolf leidet an einer Geisteskrankheit – vermutlich die Spätfolgen einer Syphilisinfektion. Er verstrickt sich immer tiefer in Wahnvorstellungen. Wenige Monate später wird Wolf einem Nervenarzt übergeben. Humperdinck wird ihn nicht wiedersehen.

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

    AV-Player