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Was heute geschah – 10. Februar 1942 Die erste Goldene Schallplatte der Geschichte

Die Plattenfirma schien dem Song zunächst nicht viel zuzutrauen: Er wurde auf der B-Seite einer Single veröffentlicht. Doch "Chattanooga Choo Choo" mit Glenn Miller and His Orchestra erhielt die erste offiziell verliehene Goldene Schallplatte der Geschichte. Die A-Seite stammte übrigens aus einem Film und spielte dort eine tragende Rolle. Doch sie wurde nie so populär wie die Big-Band-Zugfahrt nach Chattanooga.

Glenn Miller | Bildquelle: picture alliance / Photoshot

Bildquelle: picture alliance / Photoshot

Die Sendung zum Anhören

Raus aus dem Bahnhof. Und Fahrt aufgenommen! Mit Dampf und dem dazugehörigen Pfeifen. Geht ganz schön schnell von null auf … ja, wieviel? Hier ist die Zahl: 1,2 Millionen. Nicht Stundenkilometer natürlich. Sondern verkaufte Schallplatten. Nur ein halbes Jahr brauchte dieses Musikstück, um auf eine so hohe Verkaufszahl zu kommen. Lässig!

Schmelz und Drive

Vorwitzig fiepende Holzbläser, launig schnaubendes Blech. Diese Big-Band-Zugfahrt machte Spaß. Musikalisch inszeniert hatte sie Glenn Miller (1904-1944). Der Bandleader und Arrangeur war seit einigen Jahren durch Hits wie "Moonlight Serenade" und "In the Mood" populär. Musik, die runterging wie Öl, da der Saxophonsatz vom weichen Schmelz einer Klarinette angeführt wurde: ein Novum. Sehr effektvoll. Ein Sound, der schnell zum Markenzeichen geworden war. Und hier nun also ein Song über eine Eisenbahnfahrt.

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The Glenn Miller Orchestra - Chattanooga Choo Choo | Bildquelle: Ifasul (via YouTube)

The Glenn Miller Orchestra - Chattanooga Choo Choo

Den Zug gab es wirklich – er hieß nur anders

"Chattanooga Choo Choo" war eine Hommage an einen Zug, den es wirklich gab. Allerdings unter anderem Namen – und die Strecke war auch noch etwas länger als die rund 800 Meilen von New York nach Chattanooga im südlichen Tennessee. Der wirkliche Zug hieß "Birmingham Special" und fuhr von 1932 an unter anderem über den damals bedeutenden Eisenbahn-Knotenpunkt Chattanooga nach Birmingham, Alabama. Das war noch rund 150 Meilen weiter. Texter Mack Gordon und Komponist Harry Warren hatten das schöne Stück der Überlieferung zufolge währen einer Eisenbahnfahrt in jenem "Birmingham Special" geschrieben. Dichterische Freiheit führte dazu, dass der Song dann eben nicht so hieß wie der wirkliche Zug – denn dazu hätte sich wohl keine so fetzige Melodie finden lassen. Außerdem hätte sich in dem Wort Birmingham keine Alliteration zu dem lautmalerischen "Choo Choo" ergeben. Das "Choo Choo" und die Klang-Ideen des Komponisten legten auch die Entscheidung für eine Dampflok nahe – obwohl 1941 schon Elektroloks auf dieser Strecke verkehrt haben sollen. Und noch eine Freiheit nahmen die Songwriter sich auch: Sie ließen den Zug auf Bahnsteig 29 losfahren, obwohl der betreffende Bahnhof, Pennsylvania Station, gar kein Gleis 29 besaß. Aber für den Reim brauchte man das Wort "twenty-nine". Und der Text funktionierte! Am 7. Mai 1941 nahm Glenn Miller das Stück schließlich mit seinem Orchester sowie mit den zündend eingesetzten, sehr virtuosen Stimmen von Gesangssolist Tex Beneke und der Vokalgruppe The Modernaires auf, und im September war es schon in den Top Ten, später sogar auf Platz 1, wo es sich neun Wochen lang hielt.

Spiegeleier in Carolina

Auf "Track 29" im New Yorker Bahnhof Pennsylvania Station begann also der Weg ins Glück – im Song mit den Dialogzeilen: "Verzeihung, Junge", womit ein Schuhputzer ohne Rücksicht darauf angesprochen wurde, ob er vielleicht doch schon erwachsen war, "ist das der Chattanooga Choo Choo"? "Ja, Bahnsteig 29". "Und einmal Schuhe putzen bitte". Sehr launig wird dann die Weiterfahrt im (hier frei übersetzten) Text des Songs beschrieben: "Du verlässt Pennsylvania Station um Viertel vor Vier, liest ein Magazin, und schon bist du in Baltimore. Danach das Dinner im Speisewagen, und, herrliche Vorstellung: Schinken und Spiegeleier bereits in Carolina."

Die A-Seite

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Glenn Miller - I Know Why (And So Do You) | Bildquelle: 1090VIE (via YouTube)

Glenn Miller - I Know Why (And So Do You)

Musik aus dem Film "Adoptiertes Glück"

Was heute viele erstaunt: Der dampfgetriebene Song war nur eine B-Seite. Die A-Seite der damaligen 78er-Platte war ein Schmachtfetzen namens "I know why (And so do you)", der sich viel weniger ins Gedächtnis einprägte, obwohl er in der weiteren Jazzgeschichte noch viele weitere Interpreten fand. Dieser Song stammte vom selben Autorenteam und aus demselben Film wie "Chattanooga Choo Choo": "Sun Valley Serenade" (deutscher Titel "Adoptiertes Glück"), in dem er eine tragende Rolle spielte und mehrmals wiederholt wurde.

Die Trophäe

"Schau'n Sie mal, Glenn", hieß es dann am 10. Februar 1942. Während einer Radio-Sendung bekam Miller durch die Plattenfirma RCA Victor die erste offiziell verliehene Goldene Schallplatte der Geschichte überreicht. Die B-Seite hatte sich durchgesetzt: eine Zug-Nummer eben.

Historische Zugkraft

Schon 1931 gab es übrigens einen Vorläufer dieser dann zur Tradition gewordenen Auszeichnung. Damals überreichte Arthur E. Satherly, Vorstand der American Record Corporation (ARC), dem Country-Sänger Gene Autry eine mit Gold überzogene Kopie seiner Single "That Silver Haired Daddy of Mine". Dieses Datum setzte sich jedoch in der Musikgeschichtsschreibung nicht durch: Der "Chattanooga Choo-Choo" hatte mehr historische Zugkraft.

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier. Ebenso gibt es "Was heute geschah" als Podcast.

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