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Was heute geschah – 12. Juni 1942 Schönberg komponiert die "Ode an Napoleon"

Los Angeles, 12. Juni 1942: Arnold Schönberg beendet die "Ode an Napoleon". Der französische General ist bereits über 120 Jahre tot, man kann also nicht gerade behaupten, Schönberg widme sich mit der Ode einem hochbrisanten Sujet. Das hier sind die aktuellen Themen dieser Zeit: Die Japaner haben Pearl Harbour überfallen, Hitler hat zum Krieg gegen die USA aufgerufen, bei der Wannseekonferenz wird die sogenannte "Endlösung der Judenfrage" beschlossen.

Arnold Schönberg, Photographie um 1930 von Franz Xaver Setzer | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Was heute geschah

12.06.1942: Schönberg komponiert "Ode an Napoleon"

Warum also besinnt sich Schönberg mitten im zweiten Weltkrieg ausgerechnet auf Napoleon und bedient sich dafür auch noch bei Lord Byron? Der große britische Romantiker hat nämlich ein Schmähgedicht auf Napoleon Bonaparte verfasst, tief enttäuscht über dessen Wandel vom Kämpfer für die Freiheit zum Diktator. Byrons kaltschnäuzige Ode wird bei Arnold Schönberg zu einem Werk für Streicher, Klavier und einen Sprecher.

Gestützt auf deines Heeres macht, hast Haß und Zwiespalt du entfacht!
Lord Byron

Beeindruckt von Winston Churchill

Für den Sprecher wünscht sich Schönberg, er solle deklamieren wie Winston Churchill. Den hat Schönberg im Radio gehört und ist beeindruckt: von Churchills kraftvollen Worten, vom scharfen, grollenden und rhythmischen Tonfall. Schönberg operiert gezielt mit verschiedenen musikalischen Stilmitteln: Scheinbar zufällig aufeinander folgende Tonreihen symbolisieren diktatorische Willkür.

Schönberg verarbeitet in seiner Ode musikalische Zitate aus der Marsellaise, aus Beethovens dritter Sinfonie, aus "Wellingtons Sieg". Die Wahl fällt nicht zufällig auf Beethoven. Bis heute gilt Beethoven als revolutionärer Querkopf.

Keine Lobhudelei auf Napoleon

"Ist das der Herr von Tausend Reichen, der alle Welt besät mit Leichen" - fragt Byron. Und fragt Schönberg. Dabei denkt der Komponist im Gegensatz zu Byron aber nicht an den französischen General, sondern an Hitlers zynische Menschenverachtung, an ausbaldowerten Kriegsstrategien, die allein auf Vernichtung des Gegners ausgerichtet sind, die bedingungslos, brutal, blutig nach dem Endsieg streben.

Mit der "Ode an Napoleon" komponiert Arnold Schönberg also keine Lobhudelei auf Napoleon, sondern ein brisantes Bekenntnis zur Menschlichkeit und… sein einziges offenkundig politisches Werk!

WAS HEUTE GESCHAH

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