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Was heute geschah – 13. August 1876 Peter Tschaikowsky besucht die ersten Bayreuther Festspiele

Bayreuth, 13. August 1876. Für gewöhnlich ist nicht viel los in diesem oberfränkischen Städtchen, wo elf Brauereien den Durst der 14.000 Einwohner stillen. Durstig nach Kultur ist darum auch kaum einer. Auch nicht auf diesen deutschen Geist, der nun im funkelnagelneuen Festspielhaus einzieht – mit farbigem Qualm aus Dampfmaschinen, mit drei Rheintöchtern, die sechs Meter über dem Boden zappeln. Unter den Besuchern: Peter Tschaikowsky.

Das Festspielhaus Bayreuth im Jahr 1876. Aquarellierte Zeichnung von Susanne Schinkel. | Bildquelle: picture-alliance / akg

Bildquelle: picture-alliance / akg

Bild: Das Festspielhaus Bayreuth im Jahr 1876, Aquarell

Der herzkranke, leicht zermürbte Richard Wagner eröffnet seine ersten Bayreuther Festspiele mit dem  "Ring des Nibelungen ". Dafür bemühen sich ein Lindwurm aus Pappmachee und natürlich jede Menge prominente Gäste auf den grünen Hügel. Unter ihnen ist auch Peter Tschaikowsky: "Während des ganzen Festspiels war das Essen der Hauptgesprächsstoff der Leute", notiert der russische Komponist. "Koteletts, Bratkartoffeln und Omeletts wurden weitaus eifriger diskutiert als Wagners Musik".

Diplomatische Rezension

Tschaikowsky dagegen achtet auf die Musik und rezensiert das Wagner-Erlebnis diplomatisch: "Ob Wagner recht daran getan hat, indem er im Dienst seiner Idee bis zum Äußersten gegangen ist, wer wollte das heute entscheiden? Sicher ist nur, dass sich in Bayreuth etwas vollzogen hat, was noch unsre Enkel und Urenkel beschäftigen wird! "

Vernichtendes privates Urteil

Tschaikowsky konnte damals nicht annähernd ahnen, zu welchem Kult sich die Stätte samt Musik entwickeln würde. Zumal Tschaikowskys privates Urteil über dieses "Ring"-Erlebnis in Bayreuth, das er vorsichtshalber nur in Briefen kundtut, vernichtend ausfällt: "Die Auftürmung der kompliziertesten und ausgetüfteltsten Harmonien, die Farblosigkeit des Gesanges auf der Bühne, die unendlich langen Monologe und Dialoge, das Dunkel des Zuschauerraums, die Abwesenheit jeglicher Poesie – alles das hat meine Nerven bis zum letzten Grade ermüdet."

Nicht Tschaikowskys Sache – die Musik Richard Wagners

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Der Einzug der Götter in Walhall | Bildquelle: BigBang2012 (via YouTube)

Der Einzug der Götter in Walhall

Das gewaltige Orchester mit seinem Gebrüll überdeckt die farblosen, holzigen Rezitative.
Peter Tschaikowsky über den Wagner-Ring

Qual statt Freude

Ermüdet ist Tschaikowsky nicht nur im übertragenen Sinne. Während der Strafpredigt Wotans, die der seiner Tochter Brünnhilde in der "Walküre" hält, und die eine Dreiviertelstunde dauert, schläft Tschaikowsky fast ein. "Das gewaltige Orchester mit seinem Gebrüll überdeckt die farblosen, holzigen Rezitative", beschwert er sich. Es fühlt sich für den Tschaikowsky so an, als höre er pausenlos durch ein Kaleidoskop: als ob die verschiedenen Leitmotive und scharfen Harmonien immer wieder neu durcheinandergewirbelt würden. "Also das ist es, was die Reform Wagners erstrebt! Früher war man bemüht, die Leute durch die Musik zu erfreuen – heutzutage jedoch quält man sie."

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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