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27. August 1896: Lew Termen wird geboren Vater der elektronischen Musik

Sieben Jahre lang hing das prächtig geschnitzte, große Siegel der Vereinigten Staaten im Büro des US-Botschafters in Moskau. Eine Delegation der Jungpioniere der Sowjetunion hatte dem Diplomaten das Siegel kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs überreicht – als Zeichen der Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Doch das scheinbar so harmlose Gastgeschenk barg ein Geheimnis – die große Holzskulptur war in Wirklichkeit ein Abhörgerät.

Lew Termen spielt auf dem von ihm entwickelten Theremin. | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Nur durch Zufall kamen die Sicherheitsexperten der Amerikaner dahinter, dass sich in dem kunstvoll geschnitzten Wandschmuck eine geniale Abhöreinrichtung versteckte – die mit herkömmlichen Methoden nicht zu entdecken war. Denn sie funktionierte ganz ohne elektrischen Strom und sandte selbst keine Signale aus. Die Sowjet-Spione mussten die Wanze mit Radiofrequenzen bestrahlen, um der Holzskulptur ihre Geheimnisse zu entlocken.

Geburtsstunde der elektronischen Musik

Das Theremin. 2020 wird dieses frühe elektronische Musikinstrument 100 Jahre alt. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Das Theremin | Bildquelle: picture-alliance/dpa Entwickelt hatte das Abhörgerät der Wissenschaftler Lew Termen – im Gulag. In einem Geheimlabor arbeitete er zusammen mit anderen inhaftierten Wissenschaftlern an Abhörmethoden, die heute noch von Geheimdiensten eingesetzt werden. Termen hatte sich schon lange zuvor einen Namen gemacht als Wissenschaftler und Erfinder. Bei der Arbeit am ersten Bewegungsmelder der Welt entdeckte er, dass er mit diesem Apparat auch elektrisch erzeugte Töne beeinflussen konnte. Und zwar allein durch Gesten: die Geburtsstunde des nach ihm benannten Musikinstruments Theremin – und der elektronischen Musik. Das war Anfang der zwanziger Jahre – nach ersten Auftritten Termens mit dem neuartigen Instrument in St. Petersburg wird Lenin auf den jungen Wissenschaftler aufmerksam – und schickt ihn in den Westen, um nicht nur den neuartigen Bewegungsmelder zu vermarkten, sondern auch gleich noch das von ihm entwickelte elektronische Instrument.

Von New York in den Gulag

Letztlich landet Lew Termen – der sich nun Leon Theremin nennt – in den USA, gründet ein Forschungslabor, musiziert mit dem New York Philharmonic Orchestra, trifft Albert Einstein, heiratet eine afro-amerikanische Ballerina, erfindet die erste Rhythmus-Maschine der Welt und einen Metall-Detektor für das berüchtigte Gefängnis von Alcatraz. Nach einem turbulenten Jahrzehnt in den Vereinigten Staaten verschwindet er spurlos im Jahr 1938 aus New York – und landet als Gefangener in einem sowjetischen Gulag. Die Gründe für sein Verschwinden werden nie ganz geklärt – es heißt, er sei vor seinen Schuldnern zurück in die Heimat geflüchtet.

Später Weltruhm

Vom Siegeszug seiner Erfindung in der westlichen Welt bekommt Thermen nichts mit – in den fünfziger Jahren kommt kein Gruselfilm ohne die gespenstisch-ätherischen Töne des Theremins aus, und auch die Popmusik entdeckt die Möglichkeiten des Instruments. Erst kurz vor dem Ende der Sowjetunion darf der Wissenschaftler wieder reisen – und wird in den USA mit Ehrungen überhäuft. Er starb 1993 in Moskau im Alter von 97 Jahren.

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