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Was heute geschah - 16. Juni 1973 Benjamin Brittens Oper "Death in Venice" wird uraufgeführt

Voll mit autobiographischen Bezügen wird "Death in Venice" nicht nur die letzte, sondern auch persönlichste Oper des todkranken Komponisten. Vielschichtige Parallelen sind darin zwischen Benjamin Britten und dem tragischen Künstlerhelden Gustav von Aschenbach zu finden. Nur Zufall?

Benjamin Britten, 1948 | Bildquelle: www.bbc.co.uk

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Die Arbeit hat den todkranken Komponisten seine letzten Reserven gekostet. Was für ein Risiko, nach Venedig zu fahren und Myfanwy Pipers Libretto über den berühmten Thomas-Mann-Stoff zu vertonen, anstatt sich der längst fälligen und lebensnotwendigen Herzoperation zu unterziehen! Brittens Lebensgefährte Peter Pears formulierte es lakonisch:

Ben schreibt eine teuflische Oper. Und sie wird ihn töten.
Peter Pears

"A Concerto for Tenor and Opera"

Der Sänger Sir Peter Pears zeigt stolz seinen Orden, der ihm von Königin Elizabeth II. im Februar 1978 verliehen wurde. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Tenor Peter Pears. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Jetzt steht der Tenor auf der Bühne, um der Figur des alternden Schriftstellers Gustav von Aschenbach musikalisches Leben einzuhauchen, jenes tragischen, nach Schönheit und Inspiration suchenden Venedig-Reisenden, dessen Liebe zu einem polnischen Jungen in Selbsterniedrigung und Tod endet. Es ist eine Mammutpartie, die Britten für seinen Freund geschrieben hat, eine letzte große Rolle für den mittlerweile über 60-Jährigen. Nicht zu Unrecht kursiert der Titel "Concerto for Tenor and Opera". Aschenbach beherrscht die Bühne. Als Erzähler und Handelnder zugleich bewegt er sich in 17 durchkomponierten Szenen zwischen Realität und allegorischen Begegnungen, mythologischen Träumen und geistigen Reflexionen, die Britten in rezitativische, vom Klavier begleitete Monologe ohne festgelegten Rhythmus fasst. Nur die Tonhöhe ist fixiert.

Fiebertraum und Untergang

Wie konträr dazu die Musik des jungen Polen Tadzio, der als stummer Tänzer seinen Körper auf exotisch archaische, von der balinesischen Gamelan-Musik inspirierte Schlagwerk-Klänge, bewegt. Kein Wunder, dass sich Aschenbachs Ideal von Vernunft, Intellekt und Selbstdisziplin hörbar auflöst. Ein in sieben Rollen auftretender Bassbariton nimmt als personifizierter Schicksalsbote die Tragik von Anfang an vorweg: Es ist ein Fiebertraum, der im Untergang endet!

Auch Britten, der während einer Probenphase in Venedig selbst einmal für einen Jungen geschwärmt und sich ausgerechnet hier mit jenem Virus infiziert hatte, der zu seiner Herzschwäche führte, wird bald sterben. Doch ist es nicht allein das, was ihn mit dem tragischen Künstlerhelden verbindet. Peter Pears hat es zusammengefasst: "Am Schluss fragt Aschenbach, nach was er eigentlich sein ganzes Leben lang gesucht habe. Wissen? Eine verlorene Unschuld? Und muss das Streben nach Schönheit, nach Liebe, nur ins Chaos führen? All diese Fragen stellte sich Ben stets selbst."

Was heute geschah

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