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2. Juli 1878 – Gustav Mahler gegen Mathilde Kralik Wer gewinnt den Kompositionswettbewerb?

Wien, 2. Juli 1878. Die Sommersonne brennt vom Himmel. Über den Hof des Wiener Konservatoriums eilt ein junger Mann mit auffällig wippendem Gang. Unter dem Arm klemmt ein Packen Noten, sein Gesichtsausdruck ist angespannt. Kein Wunder: Der "Concurs der Ausbildungsschule für Komposition" steht unmittelbar bevor, die große Abschlussprüfung, und er, Gustav Mahler, 17 Jahre alt, will der Jury beweisen, dass er einen Ersten Preis verdient hat.

Der Komponist Gustav Mahler. Photographie um 1885 | Bildquelle: picture-alliance / Imago

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Als Mahler den großen kühlen Saal betritt, fühlt er, wie ihm das Hemd am Rücken klebt. Ein paar seiner Mitstudenten sind schon da. Am Flügel auf der Bühne sitzt Mathilde Kralik, die rotbraunen Kräusellocken aufwendig hochgesteckt. Als eine der wenigen Frauen unter den Studenten ist Kralik nicht zu übersehen. Sie ist ein paar Jahre älter als Mahler, 20, ihr Vater ist Chef einer Glasfabrik. Mahler hört eine Weile zu, wie Mathilde Kralik spielt. Er bekommt unwillkürlich schwitzige Hände. Die Kralik ist gut. Außerordentlich gut sogar. Erst neulich schrieb der Kritiker Eduard Hanslick über sie: "Eine Musterschülerin des Wiener Konservatoriums. Ein echtes, ursprüngliches Talent, das einer schönen Zukunft entgegensieht."

Prominente Jury vergibt mehrere Erste Preise

Die Komponistin Mathilde Kralik. Undatiertes Porträt | Bildquelle: Wikimedia Commons Mathilde Kralik – undatiertes Porträt | Bildquelle: Wikimedia Commons Die Juroren sind eingetroffen. Mit dabei Anton Bruckner, Franz Krenn, Josef Hellmesberger. Die Prüfung kann losgehen. Nacheinander stellen alle sieben Kandidaten aus Mahlers Jahrgang ihre Kompositionen vor. Mahler hat sich für ein Klavierquintett entschieden. Kralik dirigiert ein Intermezzo aus ihrer neuen Suite. Die wohlwollenden Blicke des Prüfungskomitees entgehen Mahler nicht. Gleich im Anschluss an das Konzert dann die Preisverleihung. Vier erste und zwei zweite Preise vergibt die Jury. Mathilde Kralik und Gustav Mahler erhalten beide einen Ersten Preis.

Auf Kralik wartet kein Weltruhm

Geschafft! Mahler und Kralik haben das Abschlussdiplom des Konservatoriums in der Tasche. Von nun an laufen sie sich seltener über den Weg. Mahler macht als Dirigent, Komponist und Operndirektor Karriere. Mathilde Kralik etabliert sich als Komponistin in Wien. Bis zu ihrem Tod mit 86 Jahren wird sie über 250 Werke schreiben, darunter Opern, Oratorien, Kammermusik und zahlreiche Lieder. Doch während Mahlers Werke Weltruhm erlangen, wird Kraliks Oeuvre bald in Vergessenheit geraten.

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