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Open Air-Oper in Frankreich La Bohème zwischen Napoleon-Grab und Mückenschwarm

An den schönsten Plätzen Frankreichs wird eine Open Air-Bühne aufgebaut. Darauf: ein Bett, eine Bar, ein Kronleuchter. Nicht viel Schnickschnack - das Bühnenbild muss ja auch in sieben verschiedenen historischen Kulissen funktionieren. Mit "La Bohème" tourt Opéra en Plein Air durch französische Chateaus - inklusive Regenschauer, Wind und Mückenstichen.

Bildquelle: © Didier Doussin

Normalerweise herrschen im Ehrenhof des Hôtels des Invalides- in Paris andere, gedämpfte Töne: Dort wird in der Regel der Toten gedacht, die für Frankreich gefallen sind. "Darf man an diesem Ort, wo auch an die 130 Toten der Attentate vom 13. November erinnert wurde, eine Oper aufführen?“ - fragt der Hausherr General Christian Baptiste vor Beginn der "La Bohème"-Aufführung. Und beantwortet die Frage gleich selbst: "Ja, man darf. Denn man muss dem Terror Kultur entgegensetzen."

Zeitlose Themen ohne viel Schnickschnack

"La Bohème" ist Puccinis meistgespielte Oper: die Geschichte von vier Freunden, allesamt junge brotlose Künstler zur Zeit der Pariser Bohème. Für Regisseur Jacques Attali ist die Oper zeitlos aktuell: "Die Geschichte könnte genauso gut im heutigen Berlin oder Paris spielen, in einem besetzten Haus, mit jungen Leuten, die ihren Platz im Leben suchen, versuchen zu überleben, indem sie Künstler werden".

Für das Bühnenbild konnte Attali, langjähriger Berater des mittlerweile verstorbenen Staatspräsidenten Francois Mitterrand, den in Frankreich bekannten Comic-Zeichner Enki Bilal gewinnen. Bilal baute die Bühne über zwei Etagen - reduziert, ohne Pariser Retro-Schnickschnack: ein Bett, eine Bar, ein Kronleuchter. Auch die Kostüme sind zeitlos schlicht gehalten. Die Bühne muss schließlich an insgesamt sieben verschiedenen Orten, an denen die Opéra En Plein Air gastiert, einsetzbar sein - in der mittelalterlichen Festung von Carcassone ebenso wie im Schlossgarten von Sceaux oder eben im Hof des Invalidenhotels. Dort singen die Künstler wie Mimi-Darstellerin Anna Kasyan unter einem Napoleon-Standbild - der liegt nämlich im benachbarten Dom begraben. "Das wird nochmal eine besondere Herausforderung: mit Napoleon im Publikum. Aber wir sind stimmlich auf der Höhe, ich denke es wird ihm gefallen," - scherzt die Sopranistin.

Mit Regen, Wind und Mücken

Das Freiluft-Erlebnis des Open-Air-Projekts birgt auch Tücken: Hier haben die Sänger keine Wände, die ihre Stimmen in Richtung Publikum tragen, die Stimme muss also einiges mehr leisten, als in einem klassischen Opernhaus. Dazu kommt noch die Witterung: Regen, Wind - draußen kann alles passieren. Auch wildgewordene Mücken machen dem Publikum und den Darstellern oft zu schaffen: "Diese Mücken, die haben uns schon oft angeflogen, umschwärmt, ausgesaugt - das Scheinwerferlicht zieht sie an."

Mäßiger Applaus

Am Ende der Pariser Vorstellung gibt es mäßigen Applaus - das Ambiente entschädigt nicht für etliche gesangliche Schwachstellen. Auch hätte man sich eine Freiluftoper wie "La Bohème" besser im Künstlerviertel Montmartre vorstellen können. Allerdings ist der Mythos des brotlosen Künstlers in Paris angesichts der horrenden Mieten schon länger genau das: ein Mythos.

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