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BR-Klassik vergibt 2023/2024 einen Operetten-Frosch Der Frosch geht an das Opernhaus Zürich für "Die lustige Witwe"

Der BR-KLASSIK - "Operetten-Frosch" 2023/24 geht an das das Opernhaus Zürich für "Die lustige Witwe"von Franz Lehár. Inszeniert von Barrie Kosky.

Steckbrief

"Die lustige Witwe"von Franz Lehár an das Opernhaus Zürich - inszeniert von Barrie Kosky

Los geht´s
..mit einer einsamen, nicht mehr ganz jungen Frau. Sie sitzt am Klavier, scheint sich zu erinnern und „Lippen schweigen“ zu spielen, den großen romantischen Walzer der Operette. Und schon ist sie von eleganten jungen Männern umlagert, die sie in die Handlung von Lehárs Operette entführen…

Verblüffend:
... wie liebevoll und nostalgisch Kosky Die Lustige Witwe inszeniert, ein Werk, um das er an der Komischen Oper einen großen Bogen gemacht hat und das er eigentlich nie inszenieren wollte, immerhin war sie ja Hitlers Lieblingsoperette, aber auch eine der Lieblingsoperetten seiner geliebten Großmutter. Mit ihr hat er Lehars Operette als Kind kennen gelernt, in Australien, dem der Großmutter verhassten Exil, wo sie zeitlebens der untergegangenen K-u-k.-Welt hinterhergetrauert hat. So legt zumindest der melanchlische beginn nahe, dass er bei seinem Konzept wirklich an seine Großmutter gedacht hat. Ebenso verblüffend ist, wie dezent diese Operette für seine Verhältnisse daherkommt. Zwar gibt es auch hier den üblichen Kosky-Glitter, aber doch erstaunlich dezent: sei es in Kim Duddys trotzdem sehr lebhafter und - im Vergleich zu Koskys sonstigem Faktotum Otto Pichler - wenig verzappelter Choreographie, sei es in Gianluca Falaschis trotzdem sehr opulenten Kostümen – etwa den pompösen Revue-Gewändern zum Vilja-Lied. Ein schöner Kontrast zur kargen Bühne von Klaus Grünberg, die sich sehr wirkungsvoll auf einen fahrbaren, in einer Spirale über der Bühnenmitte aufgehängten Riesenvorhang beschränkt. Er öffnet und schließt Räume, ist mal grau, oder rot, mal schwarz. Wie überhaupt der ganze erste Akt streng auf Schwarz-Weiß reduziert ist, eine Reminiszenz an Ernst Lubitschs Merry Widow-Film von 1934. Von ihm hat sich Kosky mindestens ebenso inspirieren lassen wie von seiner Großmutter.

Überraschend:
Die Besetzung des Traumpaars Hanna und Danilo mit Marlis Petersen und vor allem Michael Volle, laut Kosky der eigentliche Grund für seine Inszenierung. Petersen ist trotz einer Erkältung ihrer Figur stimmlich gerecht geworden, darstellerisch sowieso – weniger leidenschaftlich als bei ihrem grandiosen Rollendebüt vor 5 Jahren in Frankfurt, sondern sehr abgeklärt, am Ende gar als Wiedergängerin von Marlene Dietrich. Dass sie Danilo einmal geliebt hat, glaubt man ihr sofort. Ob sie ihn immer noch liebt, wird nicht ganz klar, der berühmte Funke jedenfalls springt nicht wirklich über. Dazu ist ihr Verhältnis zu distanziert, zu unkörperlich – und das bei Volles rollentuntypischer massiver Körperlichkeit – eher ein Ochs als ein Danilo. Dabei spielt Volle durchaus differenziert, etwa bei der Ballade von den Königskindern – da merkt man Koskys wie immer phänomenale Personenregie!

Mitreissend:
Die übrige Ensembleleistung und Patrick Hahns forsches Dirigat, das die Rubati und vielen Instrumentalsoli in Lehárs Partitur genussvoll auskostet und nur manchmal für die Sänger - mit Ausnahme von Volle - zu laut ist. Vor allem Andrew Owens als etwas tumber Rosillon tut sich da schwer, so sehr ihm die wunderbar singende Katharina Konradi auch Dampf macht. Aber auch sie bleibt letztlich doch zu sehr „anständige Frau“. Eine Wucht ist wieder – wie schon in der Münchner Fledermaus – Martin Winkler als ihr trotteliger Botschaftergatte Zeta: Ein Vollblutkomödiant, der sich für keinen Klamauk zu schade ist – und da lässt Kosky wirklich nichts anbrennen - zurecht! Denn auch das gehört zur Operette und ist ein effektvoller Kontrast zur sonst eher melancholischen Liebesgeschichte.

Berührend:
...wie sich diese Liebesgeschichte gegen Ende noch einmal verdichtet, wenn Petersen nach einem „Lippen schweigen“-Duett aus der Distanz, mit Volle am Klavier frotzelnd und ganz privat die sonst gestrichenen zweite Strophe des Weibermarschs durchgeht – ja, das Studium der Männer…

Sei kein Frosch, küss ihn: Das Team vom BR-Klassik Operettenboulevard ist begeistert und gratuliert der Oper Zürich zu großem Operettenmut!

Musikalische Leitung: Patrick Hahn
Inszenierung: Barrie Kosky
Bühne: Klaus Grünberg
Kostüm: Gianluca Falaschi
Choreographie: Kim Duddy

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