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Serie - Opernberufe Die Inspizientin

Ohne Koordinationsfähigkeit kann man den Beruf des Inspizienten nicht ausüben. Licht, Geräuscheffekte, Vorhänge, die diversen Auftritte aus verschiedenen Richtungen: All dies muss so organisiert werden, dass es zur rechten Zeit passiert. Ein Besuch bei Elena Klymchyk, Inspizientin am Landestheater Niederbayern in Passau.

Opernberuf InspizientIn | Bildquelle: imago/Götz Schleser

Bildquelle: imago/Götz Schleser

Während sich das Orchester einstimmt und sich der Saal des Fürstbischöflichen Opernhauses in Passau langsam füllt, laufen hinter der Bühne die letzten Vorbereitungen für die Aufführung von Giuseppe Verdis "Aida". Es ist dunkel hier, nur die Schreibtischlampe am Platz von Elena Klymchyk spendet ein wenig Licht. Die Inspizientin sitzt auf einem hohen Drehstuhl und schaut vertieft in ihr Notenbuch. Für unser Gespräch nimmt sie kurz ihre Kopfhörer ab. "Das ist hier der beste Platz im Theater", sagt sie. "Man sieht alles, hört alles und ist mittendrin."

Von der Bratschistin zur Inspizientin

Dieser dunkle Fleck am linken Rand der Bühne soll der beste Platz im Theater sein? Elena Klymchyk drückt einige der blinkenden Tasten vor ihr an der Wand. "Wir haben eine ganze Menge Monitore: Dirigentenmonitore, Bühnenmonitore, man kann von oben Einsicht haben oder einfach von vorne." Tatsächlich, die Inspizientin hat von ihrem Platz aus über die Monitore alles im Blick. Und über eine Rufanlage, die mit allen Räumen des Theaters verbunden ist, kann sie auch mit allen sprechen.

Seit vier Jahren arbeitet die 37-Jährige als Inspizientin am Landestheater Niederbayern - obwohl sie eigentlich studierte Bratschistin ist: "Irgendwann habe ich mir angesehen, was hinter der Bühne passiert", erzählt sie. "Später hatte ich die Möglichkeit, zu hospitieren, und schließlich entschied ich mich dann, den Beruf zu wechseln." Diesen Wechsel hat sie bis heute nie bereut. Ihr gefällt die Schlüsselrolle, die ihr an diesem Platz zukommt - ohne selbst auf die Bühne zu müssen.

Man koordiniert technische und künstlerische Abläufe, versucht alles unter einen Hut zu bringen.
Elena Klymchyk, Inspizientin am Landestheater Niederbayern

Impressionen aus Verdis "Aida" am Landestheater Niederbayern in Passau | Bildquelle: © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai Impressionen aus Verdis "Aida" am Landestheater Niederbayern in Passau | Bildquelle: © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai Und offenbar besitzt sie sie dafür großes Talent, sagt Konrad Krukowski, Leiter des Bereichs Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Landestheater Niederbayern: "Elena strahlt eine so unglaubliche innere Ruhe und Autorität aus, dass sie überhaupt nicht streng zu sein braucht. Sobald sie etwas sagt, ist das Gesetz, und dann gehorcht ihr jeder bis hinauf zum Generalmusikdirektor." Dass diese Aussage keinesfalls übertrieben ist, merkt man, sobald Elena Klymchyk ihre ersten Aufrufe des Abends macht. Ihr Zeigefinger ruht auf der Sprechertaste, einmal räuspern und tief durchatmen - und jeder merkt: Jetzt geht's los.

Liebe zum Theater - ein Muss für den Beruf

Musiktheater - das ist ohne Inspizienten nicht vorstellbar. Zu verwoben sind die Abläufe, vieles passiert nahezu gleichzeitig oder in dichter Abfolge. Lichtwechsel, Auftritte von links und rechts, Feuereffekte auf der Bühne, Geräuscheinspielungen, Vorhänge. Damit das alles stets im richtigen Moment passiert, verfolgt Elena Klymchyk zu jeder Zeit die Noten. So fühlt sich zum Beispiel der Lichttechniker nie unsicher, auch wenn der keine Noten lesen kann - sondern eben gutes Licht machen soll. "Man sollte mehrere Sachen gleichzeitig machen können und starke Nerven haben", charakterisiert Elena Klymchyk ihren Beruf. "Und man muss unbedingt vom Theater begeistert sein. Ohne dies geht es nicht."

Informationen zur Ausbildung

Inspizienten sind ein unverzichtbarer Bestandteil im professionellen Theater - und trotzdem: Einen Ausbildungsberuf "Inspizient" gibt es in Deutschland nicht. Das Einstiegsgehalt dagegen ist an staatlich geförderten Theatern im Tarifvertrag geregelt und liegt bei knapp 1.800 Euro. In den USA und England kann man sich zum "Stage Manager" ausbilden lassen. In Deutschland, sagt Elena, seien fast alle Inspizienten Quereinsteiger, die sich über Hospitanzen qualifizieren.

Große Verantwortung, große Souveränität

Man spürt: Jeder hier verlässt sich auf sie. Vergisst ein Sänger kurz vor seinem Auftritt seinem Text - Elena kann ihm die passende Stelle in ihren Noten sofort zeigen. Fehlt plötzlich ein Darsteller kurz vor seinem Einsatz, taucht er nach einem Ruf von Elena mit Sicherheit noch rechtzeitig auf. Und trotz ihrer großen Verantwortung ist Elena Klymchyk nur selten aufgeregt: "Neben Elena könnte eine Bombe hochgehen; sie würde nur kurz mal schauen und dann weitermachen", bestätigt Konrad Krukowski. So kann sich jeder auf seinen Job konzentrieren, ohne gleichzeitig hinter der Bühne noch auf das Timing achten zu müssen. Rund zweieinhalb Stunden dauert die Vorstellung inklusive Pause. Danach ist die Inspizientin genauso geschafft wie die Akteure auf der Bühne. Aber auch genauso glücklich, wenn alles gut gelaufen ist - am besten Platz im Theater.

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