Beim Festival Junger Künstler Bayreuth gastiert das internationale Projekt "Musik! Krieg und Frieden in Europa". Auf dem Programm stehen Werke sogenannter "entarteter" Komponisten. Genau die richtige Musik, um gegen den Krieg zu protestieren, findet Amaury du Closel. Er hat das Projekt mit ins Leben gerufen.
Bildquelle: Yann Cabello
BR-KLASSIK: Amaury du Closel, Sie haben eine große Konzerttournee organisiert, mit der Sie ein musikalisches Zeichen setzen wollen – gegen den Krieg und für den Frieden. Was ist Ihre Hoffnung?
Amaury du Closel: Diese Konzerte finden im Rahmen eines europäischen Projekts statt. Wir werden von der EU-Kommission unterstützt. und das Ziel ist, Musik der Komponisten zu spielen, die Opfer der totalitären Systeme in Europa geworden sind. Also, vor allem Nationalsozialismus und später auch Stalinismus. Wir spielen die Werke dieser Komponisten, die verboten wurden, als Zeichen und als Protest gegen den Krieg.
BR-KLASSIK: Glauben Sie denn daran, dass Musik tatsächlich etwas bewirken kann? Kann sie Menschen zu besseren Menschen machen?
Amaury du Closel: Wir spielen sehr regelmäßig in Auschwitz und an anderen großen Gedenkorten in Europa. Damit wollen wir zeigen, dass Musik helfen kann. Sie kann beispielsweise ein Werkzeug für die Bildung der Jugendlichen sein. Wenn wir Musik von Komponisten spielen, die in Konzentrationslagern verschleppt und ermordet wurden, dann können wir natürlich auch erklären, wie das war und wie die Nazis die europäische Kultur zerstört haben. Es ist also eine Frage der Bildung und des Gedenkens.
Der Komponist Franz Schreker wurde von den Nationalsozialisten als "entartet" bezeichnet. | Bildquelle: picture alliance/IMAGNO
BR-KLASSIK: Woher kommt denn Ihr Interesse für Komponisten wie Franz Schreker, Rudolf Karel oder Erwin Schulhoff, die von den Nazis als "entartete Komponisten" bezeichnend wurden? Sie haben ja auch ein 500 Seiten starkes Buch geschrieben über diese Komponisten, die vergessen wurden und danach dieses Etikett bekommen haben.
Amaury du Closel: Die Musik von Franz Schreker habe ich in den 80er Jahren kennengelernt. Und dann wollte ich verstehen, warum Komponisten wie er verboten wurden. Und letztendlich habe ich Anfang 2000 dann angefangen, dieses Buch zu schreiben. Es gab in Frankreich keine französische Literatur über diese Komponisten. Es war ein Teil der Geschichte, der total unbekannt war. Und ich wollte diesen Teil der Geschichte bekannt machen. Außerdem dirigiere ich meistens Mozart, Brahms und Mahler, also Komponisten, die schon vor mehr als 150 Jahren gestorben sind. Sie gehören zur Vergangenheit. Und ich finde es schade, meine Fähigkeiten als Dirigent auf diese Musik zu beschränken. Die sogenannten "entarteten Komponisten" sind für mich eine Art Widerstand gegen die historische Reduktion des Repertoires. Ich sehe darin eine Möglichkeit, mein Repertoire zu verbreitern. Diese Komponisten bringen neue Ideen mit, die künstlerisch sehr interessant sind – auch stilistisch. Ob wir Jazzmusik spielen oder Musik von Paul Hindemith, es gibt so viele Komponisten, die unser Repertoire breiter machen können. Und das ist für mich auch das Wichtigste.
Beim e-learning-Projekt des Jewish Chamber Orchestra Munich geht es um die Musik jüdischer Komponist:innen in Theresienstadt.
Sendung: "Leporello" am 4. August 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK