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Buchtipp – Stefan Moster "Bin das noch ich"

Ein Geiger, der unheilbar erkrankt und sein Leben neu ausrichten muss, steht im Mittelpunkt von Stefan Mosters neuem Roman "Bin das noch ich". Auch die gnadenlosen Bedingungen des klassischen Musikbetriebs sind Thema.

Buch-Cover "Bin das noch ich" | Bildquelle: mareverlag

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Der Geiger Simon Abrameit bemerkt seit längerem, dass seine linke Hand nicht wie gewohnt funktioniert. Aber nach der Corona-Pause ist er froh, bei einem Kammermusikfestival in Finnland endlich wieder auftreten zu können. Das Musizieren im Ensemble beflügelt ihn sogar, doch er hat Angst vor seinem anspruchsvollen Solorecital in einer Kirche. Bachs C-Dur-Sonate und die d-Moll-Partita bekommt er gerade noch so hin. Doch im 2. Satz bei Bartoks schwieriger Sonate für Violine Solo stürzt er komplett ab.

"Er meint, Ergriffenheit im Publikum zu spüren, Ergriffenheit und Erwartung, in die hinein er das Fugenthema des zweiten Teils setzt, rau und resolut, einmal, zweimal, dreimal, bei jedem Themeneinsatz mit zunehmender Komplexität und, was man im mittelalterlichen Kirchenraum nicht hört, mit wachsender Panik, die nun infernalisch in seinem Körper tobt, als schreiende Vorausnahme des Sturzes in den Abgrund, der dann tatsächlich folgt, wie von der Panik prophezeit, bei dem atypischen Akkord in Takt 18, immerhin an einer wirklich schweren Stelle."

KURZ UND BÜNDIG

Dieses Buch wird lieben, wer …
… aus Musik und Natur Zuversicht gewinnt.

Dieses Buch liest man am besten …
… mit Musik von Bach und Bartok.

Dieses Buch ist wie geschaffen …
… für alle, die gezwungen sind, ihr Leben zu ändern.

Maria Callas im Kampf mit sich selbst

Die befreundete Musikerkollegin Mai, die seine Situation schnell erfasst, überlässt Simon ihr Ferienhäuschen auf einer kleinen abgeschiedenen Schäreninsel in der Ostsee. Dort bleibt er mehrere Wochen um sich über seine Situation klar zu werden.

"Ich ging zum Meer. Ein winziger Defekt. Ein einziger, winziger Defekt durchkreuzt mein Leben und macht das Bild, das ich von mir gehabt habe, zunichte. … Wenn ich aber kein Musiker mehr bin, was bin ich dann?  »Der Mensch, der hier vor dir steht: Wer ist das?«, fragte ich das Meer."

Existenzielle Selbstreflexion

Die existenzielle Selbstreflexion Simons schildert Autor Stefan Moster weitgehend aus der Erzählerperspektive. Die innere Entwicklung des blockierten Geigers verpackt Moster teils in Simons Briefentwürfen an eine jetzt weltberühmte russische Geigerin, zu der er aber keinen Kontakt mehr hat. Beide sind sich als junge Menschen bei einem Wettbewerb begegnet und sie hat ihm damals schon seine künstlerischen Grenzen aufgezeigt. Bach und Bartok hat der freischaffende Instrumentalist weiterhin im Kopf und dies hilft, sein Schicksal zu akzeptieren. Denn er merkt, dass er nicht mehr der Geiger ist, der er so lange war.

"Den Bogen nahm ich nicht in die Hand, schließlich wollte ich ja nicht spielen. … Meine heimliche Trockenübung ergab einen unbestreitbaren Befund: Die beiden Finger sind behindert und nicht mehr in der Lage, die von ihnen verlangte Technik auszuführen."

Präziser Beobachtung von Mensch und Natur

Autor Stefan Moster ist ein sehr präziser Beobachter von Mensch und Natur. Meisterhaft gelingt dem Hobby-Ornithologen in seinem neuen Roman "Bin das noch ich" die Schilderung, wie sein Protagonist durch die einfühlsame Beobachtung der Vogelwelt und der Inselatmosphäre sich als ganze Persönlichkeit und nicht nur als Musiker wahrnimmt. Wegen seiner nicht heilbaren neurologischen Erkrankung muss er sein Leben neu strukturieren. Auch die gnadenlosen Bedingungen des klassischen Musikbetriebs sind Thema. Der Zwang, durch einen Schicksalsschlag sich neu erfinden zu müssen, kann jeden treffen. Autor Moster hat dies mit seinem fundierten Wissen um Musik und Natur einfühlsam und stilsicher verarbeitet.

Über den Autor

Der 1964 in Mainz geborene Stefan Moster ist seit fast dreißig Jahren einer der gefragtesten Übersetzer aus dem Finnischen. Sein Lebensmittelpunkt befindet sich im finnischen Porvoo und in Berlin. Doch seine eigenen Texte sind dem mehrfach ausgezeichneten Literaten ebenso wichtig. Klassische Musik steht dabei immer wieder im Mittelpunkt. Bereits in seinem Debüt-Roman "Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels" – eine Mutter-Sohn-Geschichte – kommt der Musik eine dramaturgische Funktion zu. Sein neuer Roman "Bin das noch ich" ist am 8. August 2023 erschienen.

Infos zum Buch

Stefan Moster:
Bin das noch ich

mareverlag
Preis: Hardcover 24,00 €

Sendung: "Allegro" am 8. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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