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Kritik - Donizettis „Liebestrank“ am Gärtnerplatztheater Fulminanter Belcanto-Partykracher

Die Disco-Ära der 1970er-Jahre trifft auf Commedia dell’arte: Regisseur Dirk Schmeding und seinem Team gelingt eine umjubelte Donizetti-Sause, die ausgelassen gefeiert wurde. Die Solisten trauten sich was, die Go-Go-Girls warfen ihre Langhaar-Frisuren, der Dirigent sorgte für moussierenden Klang: Der Erfolg war durchschlagend.

Szene aus "Der Liebestrank" am Münchner Gärtnerplatztheater (Premiere 23. Mai 2025) | Bildquelle: Marie-Laure Briane

Bildquelle: Marie-Laure Briane

Sauer macht lustig, und wie! Regisseur Dirk Schmeding und seine Bühnenbildnerin Martina Segna lassen am Münchner Gärtnerplatztheater über Donizettis „Liebestrank“ eine Zitronen-Scheibe statt der Sonne aufgehen. Vermutlich schlürft die verwöhnte Adina, die sich auf ihrer Strandliege räkelt, also gerade einen Limoncello Spritz. So prickelnd und erfrischend bleibt es dann tatsächlich über drei Stunden hinweg. Und wann kommt es schon mal vor, dass ein Opernpublikum nicht nur stehenden, sondern geradezu ausgelassenen Beifall spendet? Verdient haben es Dirk Schmeding und sein Team auf jeden Fall.

Donizetti im Look der 70er-Jahre

Sie orientierten sich ganz an der Commedia dell'arte, dem italienischen Stegreiftheater, dem kein Klamauk zu derb, kein Gag zu grell ist. Der „Liebestrank“ als Partykracher? Na klar verträgt Donizettis Satire so viel wilden Schwung, und (fast) jede Albernheit geht in diesem Fall absolut in Ordnung. Die 1970er-Jahre, in die Kostümbildner Frank Lichtenberg die Zuschauer mitnimmt, waren aus heutiger Sicht ja sowieso ziemlich lachhaft, mit hoch toupierten Frisuren, Strass-Applikationen und platinblonden Go-Go-Tänzerinnen, die sich noch ausgesprochen vorsichtig an das Headbanging heranwippten.

Hommage an "Saturday Night Fever"

Szene aus "Der Liebestrank" am Münchner Gärtnerplatztheater (Premiere 23. Mai 2025) | Bildquelle: Marie-Laure Briane Bildquelle: Marie-Laure Briane Herrlich, diese Sause, in der Wunderdoktor Dulcamara als Glitzer-Elvis im Aloha-Look auf der Durchreise von Las Vegas nach Hawaii auftritt und Sergeant Belcore mit seiner Soldatentruppe an die tollpatschigen Daltons aus „Lucky Luke“ erinnert. Mittendrin muss sich der liebeskranke Nemorino behaupten, der in stonewashed Jeans – damals der letzte Schrei! – darauf hofft, dass die kapriziöse Adina ein Einsehen haben möge. Das erinnert optisch streckenweise an die Disco-Ära von „Saturday Night Fever“ (1977). Lange her, wie schon daran zu erkennen ist, dass Nemorino noch vollauf damit beschäftigt ist, die Fernsehantenne zu justieren, damit das Dorf der schillernden Dulcamara-Show auch folgen kann.

Fulminantes Solisten-Ensemble mit Belcanto-Leidenschaft

Fulminant wird der Abend dank der Solisten, die Belcanto-Leidenschaft riskieren und sich stimmlich an keiner Stelle schonen, allen voran Jennifer O’Loughlin als Adina und Matteo Ivan Rašić als Nemorino. So mitreißend, so spielfreudig, mit so ansteckend guter Laune ist der „Liebestrank“ selten zu erleben.

Szene aus "Der Liebestrank" am Münchner Gärtnerplatztheater (Premiere 23. Mai 2025) | Bildquelle: Marie-Laure Briane Bildquelle: Marie-Laure Briane Einmal mehr wurde deutlich: Wirklich überzeugend ist so ein Abend nur, wenn alle Beteiligten auch dann mit voller Konzentration bei der Sache sind, wenn sie gerade nicht selbst „dran“ sind. Nur dann entstehen Spannung, Witz, Situationskomik. Das bewiesen auch Levente Páll als Quacksalber Dulcamara und Matija Meić als eitler Sergeant Belcore. Ja, ihnen allen ist sofort zuzutrauen, dass sie einen italienischen Dorfplatz zum Lachen bringen – selbst in der größten Hitze.

Dirigent Michael Balke feuerte Chor und Solisten ordentlich an, ohne das turbulente Geschehen überhastet und überstürzt wirken zu lassen. Im Gegenteil: Bühnen-Gitarrist Pedro Silva ließ alle Mitwirkenden immer wieder zu Atem kommen, eine augenzwinkernde Persiflage auf den Serenaden-Kitsch in anderen Opern. Rundherum ein fabelhafter Donizetti-Abend, der noch ein paar Konfettikanonen mehr verdient gehabt hätte.

Sendung: "Piazza" am 24. Mai 2025 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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