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Anna Bonitatibus und das Münchner Rundfunkorchester "En travesti" - die Hosenrolle in der Oper

Sie sind Ausdruck eines schillernden Spiels mit den Geschlechteridentitäten und verweisen auf eine große Tradition der Oper: In Hosenrollen verwandeln sich Sängerinnen in Männerfiguren. Im Rahmen der Reihe "Mitwochs um halb acht" präsentiert die Mezzosopranistin Anna Bonitatibus gemeinsam mit dem Münchner Rundfunkorchester am 17. Oktober Bekanntes und spannende Neuentdeckungen aus der Welt der Hosenrollen.

Hosenrolle im "Rosenkavalier" von Richard Strauss | Bildquelle: picture alliance/Leemage

Bildquelle: picture alliance/Leemage

Was bedeutet "en travesti"? Der Begriff kommt vom französischen Wort "travesti" (dt.: verkleidet). Im Theater sind damit Rollen gemeint, bei denen die Darsteller oder Darstellerinnen ins jeweils andere Geschlecht schlüpfen. So wurden in Shakespeares Stücken die Frauen anfangs von Männern und Knaben gespielt. Aus der Oper kennt man es eher andersherum: Frauen stellen Männer dar – das sind die sogenannten Hosenrollen.

Das Zierliche als Ideal der Zeit

Die Hosenrolle in der Oper entwickelte sich im Barock, als die Stimmlage der Figur noch nicht im Zusammenhang mit einer natürlichen (männlichen oder weiblichen) Geschlechterrolle verstanden wurde. Seinerzeit wurden Männerstimmen für Nebenrollen eingesetzt, die Hauptpartien fast ausnahmslos von Kastraten gesungen – ihre hohen Stimmlagen empfand man als engelsgleich und waren rein stimmphysiologisch besser geeignet, virtuose Verzierungen auszuführen. Dass eine hohe Stimme für eine ausgesprochen männliche Rolle wie die eines Feldherrn oder Kriegshelden wenig natürlich sein sollte, glaubte man damals nicht. Das Zierliche entsprach ganz jener Zeit; das Kraftvollere sollte erst im 19. Jahrhundert an Einfluss gewinnen.

Das Ideal der hohen Stimme

Anna Stephany als Octavian im "Rosenkavalier" am Bolschoi-Theater | Bildquelle: picture-alliance/dpa Anna Stephany als Octavian im "Rosenkavalier" am Bolschoi-Theater | Bildquelle: picture-alliance/dpa Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Kastraten allmählich verschwanden, wurde es üblich, die Geschlechterrollen auf der Bühne mit jenen aus dem wirklichen Leben parallel zu setzen und zu besetzen: Männerrollen wurden von Männern, Frauenrollen von Frauen gespielt und gesungen. In einigen weiterhin beliebten Opern des Repertoires wurden die entsprechenden Partien einfach transponiert; noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden für Kastraten geschriebene Hauptpartien in Barockopern von Baritonen und Bässen gesungen, bevor dies eine historisch informierte Aufführungspraxis unterband.

Bei zahlreichen neu geschaffenen Bühnenwerken des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die von vornherein nicht auf Kastraten setzen konnten, wurde die Tradition mit der "Frau in Hosen" fortgesetzt, wodurch das Ideal der hohen Stimme erhalten blieb. Nach und nach verebbte diese Mode – trotzdem konnte sich die Hosenrolle bis ins 20. Jahrhundert halten; das bekannteste Beispiel findet sich in Richard Strauss' "Rosenkavalier" von 1911 (siehe auch Illustration oben).

Anna Bonitatibus – eine entdeckungsfreudige Sängerin

Die Mezzosopranistin Anna Bonitatibus | Bildquelle: © Frank Bonitatibus Mezzo-Sopranistin Anna Bonitatibus | Bildquelle: © Frank Bonitatibus Das Konzert "En travesti" mit dem Müncner Rundfunkorchester und der italienischen Mezzosopranistin Anna Bonitatibus widmet sich am 17. Oktober vollständig dem schillernden Repertoire der Hosenrolle. Anna Bonitatibus gastiert weltweit vor allem mit Werken von Mozart, Händel und Rossini an den wichtigsten Bühnen. Ihre CD "Semiramide, la Signora regale" wurde bei den International Opera Awards 2015 als beste Einspielung eines Arienprogramms ausgezeichnet.

Anna Bonitatibus hat außerdem einen Verlag mitgegründet, der sich der vokalen Kammermusik widmet. Zu ihren Leidenschaften gehören aber auch die musikalische Recherche und das Entdecken von unbekannten Werken. Mit dem Münchner Rundfunkorchester erschien Anfang 2018 die CD "En travesti" mit den schönsten Arien und Songs aus Hosenrollen vom Barock über Mozart und Rossini bis zum Musical.

Informationen zum Konzert

Mittwoch, 17. Oktober 2018, 19:30 Uhr
München, Prinzregententheater

"En travesti" – Hosenrollen in der Oper
Ausschnitte aus Gioacchino Rossini: "Tancredi"; Gaetano Donizetti: "Maria di Rohan"; Vincenzo Bellini: "I Capuleti e i Montecchi"; Christoph Willibald Gluck/Hector Berlioz:"Orphée et Euridice"; Antonio Vivaldi: "Farnace"; Wolfgang Amadeus Mozart: "Le nozze di Figaro"; Maurice Ravel: "L'enfant et les sortilèges"

Anna Bonitatibus (Mezzosopran)
Maximilian Maier (Moderation)
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Corrado Rovaris

Live-Übertragung auf BR-KLASSIK

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