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Ein Besuch bei Ennio Morricone Zu Hause bei einer Komponisten-Legende

Seit über 20 Jahren ist BR-KLASSIK-Redakteur Matthias Keller mit Ennio Morricone befreundet. Anlässlich seines bevorstehenden 90. Geburtstags hat er den Komponisten in Rom besucht, um sich mit ihm für die Sendung "Meine Musik" auf musikalische Spurensuche zu begeben. Dabei war das Interview selbst schon ein Erlebnis.

Matthias Keller interviewt Ennio Morricone | Bildquelle: ©Gerda Keller

Bildquelle: ©Gerda Keller

Kurz vor seinem Neunzigsten hat der Maestro besonders wenig Zeit. Es geht von Konzert zu Konzert und selten war sein Tour-Kalender so voll wie in diesen Tagen. Nach mehreren Telefonaten dann die spontane Einladung: "Wie schaut's bei Dir am nächsten Wochenende aus, da wäre ich tatsächlich frei?" Es ist das Wochenende nach Pfingsten.

Mit Blick über die ewige Stadt

Der Himmel über Rom ist an diesem Sonntagmorgen, wie beim letzten Mal, ewas diesig. Was schade ist, denn von Morricones neuem Domizil aus - er ist vor gut einem Jahr noch einmal umgezogen, der besseren Luft wegen - hat man einen fantastischen Panoramablick über die ewige Stadt. Auch der Flügel ist inzwischen da und steht mitten im Salon, ist aber verstimmt: "Fuori intonazione".

Matthias Keller, Ennio Morricone, Gerda Keller | Bildquelle: ©Giovanni Morricone Matthias Keller, Ennio Morricone, Gerda Keller | Bildquelle: ©Giovanni Morricone Doch die Versuchung ist größer, ein paar Takte aus der "Aria" der "Goldbergvariationen", und schon sind wir beim Thema: Bach. Morricone verehrt ihn sehr, hat ihn vielfach zitiert in seiner Musik, das B-A-C-H. Aber auch sein eigener Sinn fürs Kontrapunktische, kommt der von Bach? Das muss ich ihn gleich im Gespräch fragen. Und natürlich in diesem Zusammenhang auch, wie die Musik zu "The Mission" entstand, diese faszinierende kontrapunktische Schichtung der Themen. Wie oft wir wohl darüber schon gesprochen haben?

Interview auf dem Sofa

Matthias Keller interviewt Ennio Morricone | Bildquelle: ©Gerda Keller Bildquelle: ©Gerda Keller Unsere "Interviews" sind keine üblichen Interviews. Dazu kennen wir uns schon viel zu lange. Seinetwegen habe ich vor zwanzig Jahren angefangen, Italienisch zu lernen. Denn er ist Italiener durch und durch, stolz einerseits auf seine Sprache und Kultur, andererseits auch ein wenig neidisch auf unsere multilinguale Generation. Wir sitzen auf dem Sofa, gegenüber meine Frau, die ab und zu ein paar Fotos macht und, wenn mein Italienisch an seine Grenzen stößt, hilfreich eingreift (als studierte Übersetzerin). Aber es läuft absolut flüssig; zuviele Fragen vielleicht – "tante domande?", fragt Ennio und scrollt mit dem Finger über mein iPad: "Ma buone domande", erwidere ich augenzwinkernd, gute Fragen. Wirklich?

In Morricones kulturellem Kosmos

Wie geistreich kann man diesem Mann begegnen, dessen kultureller Kosmos, keineswegs nur der musikalische, so umfassend ist? Von den Keksen vor mir auf dem Tisch, zwischen Nippes und Präsenten – und steht da nicht auch einer von seinen "Oscars"? –, nehme ich keinen einzigen. Es ist wieder mal viel zu spannend und wir haben richtig Spaß. Jetzt müssen wir mal die Seiten tauschen, scherzt er, sonst bekommt er einen Schiefhals. Kaum zu glauben, dass dieser Mann in Kürze Neunzig wird! Und dann müssen wir uns leider wieder verabschieden, denn er muss noch schnell ein Stück überabeiten. Und nächste Woche geht's schon wieder weiter mit Konzerten. "Alla prossima volta, Maestro. Arrivederci."

Das Interview mit Ennio Morricone können Sie auf BR-KLASSIK in der Sendung "Meine Musik" anhören, am Samstag, 23. Juni 2018, 11:05 Uhr.

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