BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – "Oedipe" von George Enescu in Paris Was der Kostümfundus so alles hergibt

In unseren Breiten kennt man Wajdi Mouawad vor allem als Dramatiker. Der im Libanon geborene Künstler setzt sich auf überaus poetische Weise mit den Fragen unserer Zeit auseinander, oft spielt dabei die andauernde Krisensituation seines Heimatlandes eine große Rolle. Wobei sich Mouawad inzwischen sicher mehr als Franzose fühlt, er leitet sehr erfolgreich das renommierte Pariser Théâtre national de la Colline. Jetzt hat Mouawad für die Opéra Bastille die Oper "Oedipe" von George Enescu inszeniert. Eine Premierenkritik von Jörn Florian Fuchs.

Szene aus der Oper "Oedipe", die am 23. September 2021 an der Opéra national de Paris Premiere hatte | Bildquelle: Elisa Haberer / Opéra national de Paris

Bildquelle: Elisa Haberer / Opéra national de Paris

An der Pariser Bastille-Oper inszenierte Mouwad nun George Enescus einziges Musiktheater "Oedipe" aus dem Jahr 1936, das der Rumäne ebenfalls in Paris uraufführte. Die Musik bietet reiche Farben und Formen, kraftvolle Rhythmen, klangverliebte Solostellen, etwa für die Flöte, aber auch volksliedhafte Einsprengsel. Erzählt wird die Geschichte des Vatermörders und seine Mutter ehelichenden Herrschers, der sich, nachdem er alles erkennt, selbst blendet. Im letzten der vier Akte wird auch noch Sophokles Fortsetzung von "König Ödipus", nämlich "Ödipus auf Kolonos" integriert, da findet der gebrochene Titelheld Erlösung in einem heiligen Hain.

Keine originellen Ideen

Szene aus der Oper "Oedipe", die am 23. September 2021 an der Opéra national de Paris Premiere hatte | Bildquelle: Elisa Haberer / Opéra national de Paris Bildquelle: Elisa Haberer / Opéra national de Paris Wajdi Mouwad inszeniert das alles, leider, in einer Kostüm- und Ausstattungsorgie ohne originelle Ideen oder Deutungen. Wobei, es stimmt nicht so ganz: An den Anfang setzt er nämlich ein kleines Schauspiel. Wir erleben Laios (Vater von Ödipus) als jungen Mann, er vergewaltigt ein Kind, dessen Vater verflucht ihn. So also kommt das Schicksal in die Welt. Das Ganze ist übrigens keine genuine Idee des Regisseurs, es gehört zum sehr üppigen Mythenkreis rund um Ödipus. Doch Mouawad macht daraus zu wenig, lässt den getöteten Jungen immer wieder mal auftauchen. Der Rest ist Mummenschanz und eine gerade bei den oft eingesetzten Chören arg schwache Personenregie. Der Chor singt übrigens überwiegend mit Masken, was optisch sehr und akustisch auch etwas stört.

Das Dirigat: präzise, emphatisch, farbenreich

Christopher Maltman beweist in der Titelpartie Kraft und Ausdauer, toll tönt Ekaterina Gubanovas Iokaste. Weitere vokale Glanzleistungen bieten Clémentine Margaine als Sphinx sowie Anne Sofie von Otter als Merope, die Adoptivmutter des Ödipus. Ingo Metzmacher konnte, wie schon vor zwei Jahren, als er das Stück in der fulminanten Achim-Freyer-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen leitete, in jeder Hinsicht punkten: Präziser, emphatischer, farbenreicher kann man das nicht dirigieren.

Flucht in der Pause

Szene aus der Oper "Oedipe", die am 23. September 2021 an der Opéra national de Paris Premiere hatte | Bildquelle: Elisa Haberer / Opéra national de Paris Bildquelle: Elisa Haberer / Opéra national de Paris Die Publikumsreaktionen waren freundlich, fürs Regieteam etwas verhalten. Die Pause nutzten einige zur Flucht. Ihnen entging noch manch überdrehtes Kostüm, manch mythische Frisur, die an Salatköpfe erinnerte sowie manch wallendes Gewand. Enescus "Oedipe" ist wohl einfach das falsche Stück für den sonst so klugen Regisseur und Dramatiker Mouawad. Er wäre vermutlich bei kürzeren, prägnanteren Werken wie Richard Strauss' "Elektra" besser aufgehoben.

Sendung: "Allegro" am 24. September 2021 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player