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Alfred Brendel zum 90. Geburtstag Der Schnörkellose

Schlicht, rund, samtig - so spielte er Klavier. Schon seit Jahren tritt Alfred Brendel nicht mehr als Pianist auf. Heute ist der Österreicher vor allem als Schriftsteller bei Lesungen zu erleben – und beweist durchaus literarischen Humor. Am 5. Januar wird Alfred Brendel 90 Jahre alt.

Alfred Brendel wächst im heutigen Kroatien auf. Zur Schule geht er in Zagreb. Die Eltern unterhalten eine Pension auf einer Urlaubsinsel in der Adria. Weder ist die Familie sonderlich musisch noch intellektuell. Trotzdem hegt Brendel neben musikalischen früh auch literarische und künstlerische Ambitionen. Ein Wunderkind sei er allerdings nicht gewesen, sagt er – eher ein neugieriger Normalo.

Steile Pianistenlaufbahn

Brendel-typisches Understatement. Sein pianistischer Steilstart liest sich nämlich verdächtig wundersam: Mit zwölf der Eintritt ins Grazer Konservatorium, mit 16 der Abschluss in Wien. Sein Lehrer damals ist einer der größten Pianisten seiner Zeit: Edwin Fischer. Ein lebenslanges Vorbild, an dem Brendel vor allem die Einfachheit schätzte: "Eine Einfachheit, die überflüssige Komplikationen vermied, die aber zugleich höchst sensibel im Klang war – also eine Mischung aus großer Verfeinerung und einfacher Aufrichtigkeit."

Ich bin kein Sklave des Komponisten, sondern diene aus freien Stücken.
Alfred Brendel

Demut vor dem Komponisten

Alfred Brendel | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Auch Fischers Bescheidenheit gegenüber den Komponisten gefiel Brendel. Diese Demut hat er selbst übernommen und auch an seine Schüler weitergegeben – darunter Till Fellner, Herbert Schuch und Kit Armstrong. Sämtlich eher leise, zurückhaltende Vertreter ihrer Zunft. Wie Brendel selbst: Der Schnörkellose. Ein Werkumkrempler, das war Brendel nicht: "Ich habe immer betont, dass ich nicht ein Sklave des Komponisten bin, sondern ihm aus freien Stücken und mit meinen eigenen Möglichkeiten dienen will. Aber ich vergesse nie, dass ich ohne den Komponisten überhaupt nicht vorhanden wäre."

Lebensstationen - Alfred Brendel

1931 geboren in Wiesenberg
1937 erster Klavierunterricht
1943 Klavierstudium in Graz, später in Wien
1948 Studium von Orchesterleitung und Komposition in Graz
1948 erstes Recital als Pianist in Graz
1949 Preisträger beim Busoni-Wettbewerb in Bozen
1960 Salzburger Festspiele mit Wiener Philharmonikern
1970 Verlegung des Wohnsitzes nach London
1976 Veröffentlichung des ersten Buches
1978 Verleihung der ersten Ehrendoktorwürde (University London)
2004 Ernst von Siemens Musikpreis
2008 Herbert-von-Karajan-Musikpreis
2008 Beendigung der Pianistenkarriere
2009 Verleihung des "Praemium Imperiale" in Tokyo

Es habe ihn nie interessiert, partout anders zu spielen als jeder andere – so Brendel jüngst nochmal in der ZEIT. Unverwechselbar war sein Spiel trotzdem. Dieser spezielle Ton: sehr rund, samtig, mit summenden Mittelstimmen. Dazu viel rhythmischer Witz. Timing kann und konnte er. Als literarischer Humorist sowieso, als Pianist auch.

Ich habe meine Karriere nicht aufgrund meiner Fehlerlosigkeit gemacht.
Alfred Brendel

Fokussiertes Repertoire

"Bach, Händel, Haydn, Beethoven, Mozart, Schubert – das ist für mich das Kraftzentrum der Musik", erklärte Alfred Brendel. Die Liste seiner Hausgötter klingt eher gediegen. Das Repertoire war immer fokussiert. Perfektionist sei er allerdings nie gewesen, gesteht er lakonisch: "Ich habe natürlich versucht, mich gut vorzubereiten und möglichst fehlerlos zu spielen. Aber ich habe meine Karriere nicht aufgrund meiner Fehlerlosigkeit gemacht."

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Alfred Brendel - Schubert - Four Impromptus, D 899 | Bildquelle: Classical Vault 1 (via YouTube)

Alfred Brendel - Schubert - Four Impromptus, D 899

Pianist, Schriftsteller, Maler

Entscheidend war Brendels Fähigkeit zur Charakterzeichnung. Er sah in jedem Meisterwerk ein Individuum: "Man muss herausfinden, innerhalb welcher Grenzen dieser Organismus sich abspielt, damit man das Stück nicht verfälscht oder missversteht." Alfred Brendel, der schriftstellernde Pianist und dichtende Maler ist auch das: ein musikalischer Mime. Kein Wunder, dass er neben seinem Vorbild Edwin Fischer auch Alfred Cortot bewundert. Längst gehört er selbst in diese Reihe.

Sendung: "Allegro" am 5. Januar 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Alfred Brendel in BR-KLASSIK

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