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Van Cliburn Klavierwettbewerb 2025 Pianist Aristo Sham aus Hongkong triumphiert in Texas

Von der Cowtown zur Pianotown: Alle vier Jahre wird die texanische Stadt Fort Worth zum Mekka junger Klaviervirtuosen aus aller Welt. Diesmal konnte sich erstmals bei dieser "Klavierolympiade" ein Pianist aus Hongkong die Goldmedaille und die begehrte Gewinnertrophäe erspielen. Auf dem zweiten und dritten Platz landeten Vitaly Starikov und Evren Ozel.

Die Preisträger des 17. Klavierwettbewerbs "Van Cliburn": Evren Ozel, USA (3. Preis); Aristo Sham, Hongkong (1. Preis) und Vitaly Starikov, Israel/Russland (2. Preis) | Bildquelle: Ralph Lauer

Bildquelle: Ralph Lauer

Seit 1962 empfängt die Stadt Fort Worth nahe Dallas junge Pianistinnen und Pianisten aus aller Welt. 27 Kandidaten durften nach einer harten Vorauswahl bei der 17. Auflage des Van-Cliburn-Klavierwettbewerbs antreten, sechs von ihnen spielten sich schließlich ins Finale, ein fast einwöchiger Konzertmarathon, bei dem jeder Kandidat noch einmal zwei große Klavierkonzerte, zusammen mit dem Fort Worth Symphony Orchestra unter der Leitung von Dirigentin Marin Alsop, zum Besten geben musste.

Und die Auswahl der Konzerte war dabei durchaus überraschend, von Bartóks eher selten gespieltem zweiten Klavierkonzert über Mendelssohn bis zu Ravels Konzert für die linke Hand. Der Dauerbrenner hingegen – das "Rach 3", wie Rachmaninows drittes Klavierkonzert von den Amerikanern gerne genannt wird, stand heuer tatsächlich nur einmal auf dem Programm. Vielleicht hatten viele der Kandidaten noch zu großen Respekt davor, sich mit diesem Stück beim Cliburn zu messen, hatte doch beim letzten Wettbewerb 2022 der überragende Gewinner Yunchan Lim mit seiner Interpretation dieses Werks mehr als eine Duftmarke hinterlassen: Allein auf YouTube haben die Videos seines Finalauftritts mittlerweile über 20 Millionen Aufrufe.

Preisträger aus Hongkong, Russland/Israel und den USA

Mit Mendelssohns erstem und Brahms zweiten Klavierkonzert konnte Aristo Sham diesmal die Finalrunde - in einem sehr ausgewogenen Teilnehmerfeld - am 7. Juni in der Bass Performace Hall für sich entscheiden. Den 29-jährige Pianisten aus Hongkong platzierte die Jury vor Vitaly Starikov aus Russland und Israel und dem Lokalmatador und Gewinner der Bronzemedaille Evren Ozel.

Mendelssohn mit modischem Statement

Aristo Sham im Finale The Cliburn 2025 | Bildquelle: Ralph Lauer Aristo Sham spielt Mendelssohns Klavierkonzert Nr. 1 mit dem Fort Worth Symphony Orchestra unter Marin Alsop. | Bildquelle: Ralph Lauer Männer hätten bei der Auswahl der Konzertkleidung doch eher das Nachsehen, so Gewinner Aristo Sham. Umso auffälliger war dann die Wahl seiner Socken für das Finale mit dem Mendelssohn-Konzert. Bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen, meinte der junge Pianist, dass er seine Kleidung, besonders die Socken, gerne nach dem jeweils gespielten Repertoire aussucht. So hat er für den ersten Finaldurchgang mit Mendelssohn ein buntes und farbenfrohes Muster ausgesucht, für das zweite Brahms-Konzert fiel die Wahl dann eher auf eine gedeckte, ernstere Farbe.

Mit seinen 29 Jahren gehörte Sham bereits zu den eher älteren Teilnehmern des diesjährigen Wettbewerbs. Geboren in Hongkong, ging er mit seiner Familie im Alter von 14 Jahren zum Studium zunächst nach Großbritannien, danach in die USA, wo er Klavier am New England Conservatory studiert hat und parallel in Harvard seinen Abschluss in Economics gemacht hat. Nach einem Studienaufenthalt in Schweden kehrte er schließlich in die USA zurück, um an der Julliard School in New York unter anderem von Robert MacDonald unterrichtet zu werden.

Link-Tipp

Alle Infos sowie die Videos aller Kandidatinnen und Kandidaten des diesjährigen Van-Cliburn-Wettbewerbs.

The Cliburn – schon immer auch eine politische Veranstaltung

Pianist Van Cliburn | Bildquelle: picture-alliance/dpa Parteichef Nikita Khrushchev gratuliert dem Texaner Van Cliburn zum Gewinn des Tchaikowsky-Wettbewerbs im April 1958. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Klavierwettbewerb zu Ehren von Van Cliburn war und ist in gewisser Weise schon immer politisch – politisches Potential hat letztendlich auch zur Gründung des Wettbewerbs vor 63 Jahren geführt. Mit seinem unglaublichen Gewinn des ersten Preises beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb zur Hochzeit des kalten Kriegs wurde der amerikanische Pianist Van Cliburn als musikalischer Brückenbauer zwischen UdSSR und USA gefeiert. Das hat auch der US-amerikanische Pianist Jon Nakamatsu nochmal betont – er war heuer Jurymitglied und 1997 selber erster Preisträger. Seine feste Hoffnung ist, dass damals wie auch in diesen politisch derzeit teils sehr unangenehmen Zeiten in den USA die Musik als ein verbindendes und versöhnendes Element fungieren kann, wie es eben in den 60er-Jahren bei Van Cliburn der Fall war. Festivalleiter Jacques Marquis, ein gebürtiger Franco-Kanadier, war erleichtert, dass weder Kandidaten noch Jury-Mitglieder ihre Teilnahme zurückgezogen hätten – und der Wettbewerb schätze sich glücklich, komplett unabhängig von staatlicher Förderung zu sein. Und auch der russische Finalist Philipp Lynov zeigte sich bei einer Pressekonferenz der festen Überzeugung, dass wenn überhaupt die Musik und die Kunst Brücken schlagen könnte.

Autor des Textes: Christoph Hiller

Sendung: "Leporello" am 10. Juni 2025 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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