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Kritik - "Hotel Metamorphosis" in Salzburg Übervoll

Mit einem Opernpasticcio starten die diesjährigen Salzburger Pfingstfestspiele: Aus diversen Arien und Chören von Vivaldi hat sich Barrie Kosky sein "Hotel Metamorphosis" gebastelt. Das ist abwechslungsreich, ja üppig, wird zum Ende hin aber ein wenig lang.

Hotel Metamorphosis | Bildquelle: © SF/Monika Rittershaus

Bildquelle: © SF/Monika Rittershaus

Intendantin Cecilia Bartoli hat die Salzburger Pfingstfestspiele in diesem Jahr der Stadt Venedig gewidmet, die über die Jahrhunderte Inspirationsort für zahlreiche Komponistinnen und Künstler war. Im 18. Jahrhundert schuf Antonio Vivaldi dort auch bis vor Kurzem noch unentdeckte Opern. Aus diesen haben Regisseur Barrie Kosky, Dirigent Gianluca Capuano und Dramaturg Olaf A. Schmitt einzelne Arien, Chöre, Ensembles herausgesucht und damit ein neues Werk geschaffen: "Hotel Metamorphosis" erzählt anhand von Episoden aus dem epischen Meisterwerk Ovids, was Menschen, Künstlerinnen, Göttern in einem Hotelzimmer so treiben oder träumen und wird dabei selbst zum vierstündigen Opern-Epos mit Geisterbahn-Finale.

Vom Hotelbett verschluckt

Schauspielerin Angela Winkler erscheint zum Prolog im nüchternen Hotelzimmer mit großem Doppelbett, Minibar und Flachbildschirm-TV als Erzählerfigur Orpheus im schwarzen Hosenanzug und erinnert sich an Eurydike und ihren Verlust. Mit kindlicher, glockenklarer Stimme beschwört Winkler durch Gedichte von Rainer Maria Rilke und Ovids zweitausend Jahre alten Texte die Gestalten der antiken Mythologie herauf, die nun einkehren.

Passend zu jeder Szene prangt ein großes Barockgemälde mit einer Schlüsselszene über dem Bett, das in den faszinierenden Videoprojektionen von Rocafilm im Laufe der Szenen den Raum einnimmt und Teil der Verwandlungen wird. In diesem Hotelzimmer verschluckt das Bett die Ruhesuchenden, fliegen die Fetzen und Laptops, spuckt die Minibar die lebensmüde Myrrha als Baum wieder aus. Bühnenbildner Michael Levine zaubert immer wieder neue Überraschungseffekte für die messerscharfen Typisierungen von Regisseur Barrie Kosky.

Solisten und Chor überzeugen

Cecilia Bartoli verkörpert und singt mit großer Intensität zunächst die trauernde Eurydike in schlichtem schwarzem Kleid, dann kehrt sie als schrille Web-Designerin Arachne in das Hotelzimmer zurück, in dem zuvor Philippe Jaroussky als Biedermann Pygmalion mit seiner Schaufensterpuppe diniert und sie in zwei zärtlichen Arien voller Schmelz besungen hat. Lea Desandre verleiht der Statue nach erfolgreicher Verwandlung quirliges Leben und ihre glanzvolle, wandlungsfähige Stimme, die bei Vivaldi so richtig aufblüht. Die erstklassige Solistenriege wird durch die fulminante Nadeshda Karyazina komplettiert, die mit großem, flexiblem Mezzosopran als Göttin Minerva und Juno überzeugt.

Zwischen den fünf Szenen und Verwandlungen, aber auch zu den Chornummern, die Il Canto di Orfeo enorm plastisch und bewegend präsentiert, erscheint immer wieder das ausdrucksstarke Tanzensemble. Otto Pichlers Choreografie bedient in bewährter Zusammenarbeit Koskys große Palette vom burlesken bis zum mythisch-dramatischen Extrem. Was gerade noch als heitere Bacchanten Truppe durch das Zimmer hüpfte, wird im nächsten Augenblick zur Axt schwingenden Mörderbande, die dem Orpheus den Kopf abschlagen.

45 Mal Vivaldi

Insgesamt 45 Vivaldi-Nummern bilden das neue Werk, und Gianluca Capuano mit Les Musiciens du Prince zeigen voller Elan, was alles noch in Vivaldis Tonsprache zu entdecken ist. Vom zarten Flötenzwitschern und Wassermurmeln bis hin zum alles zerschmetternden Donnerwetter reichen die Naturbeschreibungen, und die Emotionen vom verhauchenden Flehen in Liebe oder Verzweiflung bis hin zur wutsprühenden Koloraturarie. Leider fällt die starke Spannung des Abends durch das sich zu sehr in die Länge ziehende nicht enden wollende Unterwelts-Finale stark ab. Cecilia Bartoli will als Eurydike einfach nicht loslassen, trägt den sprechenden Kopf ihres Orpheus durch das Dunkel unter dem Hotelzimmer und sucht im Da Capo nach dem ultimativen Gefühlsausdruck. Das hätte die Vorgabe einer dramatischen Form verhindern können. Ein paar Zutaten weniger für dieses üppige Pasticcio hätten dem Kunstgenuss dieses Ausnahme-Opernprojektes gut getan.

Sendung: "Allegro" am 10. Juni ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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