Die Salzburger Pfingstfestspiele starten am 6. Juni mit einem ambitionierten Programm. Thematisch geht’s nach Venedig – unter dem Motto "Klänge der Serenissima" hat Intendantin Cecilia Bartoli Musik aus fünf Jahrhunderten in die vier Tage gepackt. Ein Vorbericht.
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Musik aus fünf Jahrhunderten, in und für Venedig geschaffen oder von Venedig inspiriert – Cecilia Bartoli, die Intendantin der Salzburger Pfingstfestspiele, geht in die Vollen. Und das in gerade mal vier Festivaltagen. Regisseur Barrie Kosky huldigt mit Antonio Vivaldi dem berühmtesten Venezianer überhaupt und verwebt Klänge des Barockmeisters mit Texten von Ovid: "Hotel Metamorphosis" heißt das Pasticcio, das zweimal im Haus für Mozart gezeigt wird. Auf der illustren Besetzungsliste auch die Festspielintendantin.
Wenn ich ein anderes Wort für Musik suche, so finde ich immer nur das Wort Venedig.
Venedig – das war für Friedrich Nietzsche die "Stadt der Stille und der hundert tiefen Einsamkeiten"; die Piazza San Marco nannte er in sanfter Melancholie sein "schönstes Studierzimmer". Fünf längere Aufenthalte sind von ihm dokumentiert. Genossen hat er sie wegen der "kalmierenden Wirkung der venezianischen Luft". Und wegen der Musik. Venedigs Stille hat auch Richard Wagner verzaubert:
Alles lautlos: nur das sanfte Gleiten der Gondel, das Plätschern des Ruderschlages. Breite Mondschatten. Alles ist Ohr.
1883 ist Wagner in Venedig gestorben. Seine „Wesendonck“-Lieder singt Matthias Goerne bei einer Matinee im Mozarteum. Markus Hinterhäuser begleitet ihn – und gibt auf dem Klavier noch ein paar dunkle Venedigfarben von Franz Liszt, Luigi Nono und Salvatore Sciarrino dazu.
1637 wird in Venedig das weltweit erste Opernhaus eröffnet; in den folgenden Jahrzehnten schießen die venezianischen Musiktempel wie Pilze aus dem Boden. Zeitweise bespielt man über 20 Theater-und Opernbühnen. Allein im Teatro La Fenice werden weit über 50 Opern uraufgeführt, darunter gleich fünf von Giuseppe Verdi. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein konkurriert das (mit etwa 1000 Plätzen vergleichsweise kleine) Haus künstlerisch erfolgreich mit Mailand und Neapel. Strawinsky, Britten und Prokofjew, Berio und Maderna stellen hier ihre neuesten Werke zur Diskussion.
Am Abend des 29. Januar 1996 erlebt die Musikstadt Venedig eine Katastrophe: La Fenice steht in Flammen und brennt noch in derselben Nacht bis auf die Grundmauern nieder. Schlampereien bei Sanierungsarbeiten? Brandstiftung? Versuchte Bauverzögerung? Bis heute sind nicht alle Fragen beantwortet. Doch wie der mythische Vogel Phönix, nach dem es benannt ist, steigt das Haus im Dezember 2003 aus der Asche und wird glanzvoll wiedereröffnet – mit einem Konzert unter der Leitung von Riccardo Muti. Nach der italienischen Nationalhymne erklingt Beethovens "Weihe des Hauses". Es folgt die Psalmensymphonie von Igor Strawinsky (in Venedig begraben), ein Te Deum von Antonio Caldara (in Venedig geboren) und der Huldigungsmarsch von Richard Wagner (in Venedig gestorben).
Intendantin der Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli. | Bildquelle: © Uli Weber / DECCA
Erst ein knappes Jahr später, im November 2004, ist im neuen Fenice wieder eine Oper zu sehen: "La Traviata", die genau hier 1853 ihr Uraufführungsfiasko erlebt hat. Eine Kurtisane als Heldin – was für eine Provokation! Cecilia Bartoli bringt Verdis inzwischen beliebtestes Bühnenwerk konzertant ins Große Festspielhaus – mit Nadine Sierra, Piotr Beczala und Luca Salsi in den Hauptrollen.
Mit einem Kunstgriff schlägt das Salzburger Pfingstprogramm den Bogen vom 17. zum 21. Jahrhundert: 1613 wurde Claudio Monteverdi Domkapellmeister von San Marco. Zu seiner berückend schönen "Marienvesper" hat sich der 50-jährige Bruno Mantovani, Direktor des Pariser Conservatoire, ein musikalisches Vorspiel einfallen lassen: sein "Venezianischer Morgen" für Chor a cappella hat erst vor kurzem seine Uraufführung erlebt. Das Hamburg Ballett vertanzt zu Musik von Johann Sebastian Bach und Richard Wagner eine tragisch-traurige Liebesgeschichte von John Neumeier – frei nach der Thomas Mann-Novelle "Tod in Venedig". Und wer’s ein bisschen heller mag: in der Felsenreitschule wird, mit Ausschnitten aus den "venezianischen" Opern von Gioachino Rossini, ein Koloraturenfeuerwerk gezündet.
"Klänge der Serenissima" - soviel Venedig war noch nie in Salzburg ...
Autor des Artikels: Michael Atzinger
Sendung: "Allegro" am 5. Juni 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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