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Kritik – "Orfeo ed Euridice" in Salzburg Bartoli macht das Dutzend voll

Letztes Jahr stand bei den Salzburger Pfingstfestspielen ein Klassiker der italienischen Oper auf dem Programm: Gioachino Rossinis "Barbier von Sevilla". Auch heuer ist ein ziemlich populäres Stück Musiktheater dran, allerdings von einem Komponisten aus der Oberpfalz: Christoph Willibald Glucks "Orfeo ed Euridice". Die Festspielchefin Cecilia Bartoli steht wie immer mit einer Hauptrolle im Blickpunkt, diesmal Orfeo. Und die szenische Seite der Neuproduktion im Haus für Mozart verantwortet ebenfalls einer der Großen seines Fachs: Christof Loy. Für uns war Volkmar Fischer dabei.

Cecilia Bartoli als Orfeo bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2023 | Bildquelle: SF/Monika Rittershaus

Bildquelle: SF/Monika Rittershaus

Jaja, die Liebe! Mal glückt sie, mal schmerzt sie. Nie ist sie abzuschotten gegen Zerfall oder Verlust. Dem armen Orfeo wird besonders viel zugemutet. Euridice stirbt. Im Reich der Toten löst die Klage Orfeos Rührung aus. Tatsächlich bekommt der Mann seine Frau zurück, unter der Bedingung, dass er auf dem gemeinsamen Heimweg keinen Blickkontakt herstellt und die Order verschweigt. Von der dadurch irritierten Euridice bedrängt, macht Orfeo dann doch, was er unterlassen soll - und verliert seine Liebe noch einmal und für immer.

Der Tanz illustriert Orfeos Gemütslage

An der Oberfläche der Existenzen zu schaben, hat den Regisseur Christof Loy immer schon wenig interessiert. Auch diesmal schürft er wieder "in der Seelen wunderlichem Bergwerk". An diese Formulierung Rainer Maria Rilkes lässt Christof Loy im Teamwork mit Bühnenbildner Johannes Leiacker denken. Denn das dominierende Element des Raumes ist eine steil ansteigende breite Treppe. Inspiriert von der Alhambra in Granada, wo viele Stufen den Weg zum Paradies beschreiben.

Rechts und links zitieren Wände ganz profan den holzvertäfelten Karl-Böhm-Saal, das Foyer nebenan. Den rund 90minütigen Abend über drückt das Tanztheater sinnlich-nonverbal die Gemütslage Orfeos aus, sein Unterbewusstes. Im "Reigen seliger Geister" kommen kostümtechnisch Farbtupfer ins Spiel, sonst regiert Schwarzweiß bei den Tänzerinnen und Tänzern. Vierzehn sind sie an der Zahl – im Gestus schroff und zärtlich zugleich. Wie sich das schon der Komponist wohl selber dachte: Christof Loy folgt hier dem Ansatz Christoph Willibald Glucks.

Cecilia Bartoli überzeugt vor allem in den leisen Passagen

Gianluca Capuano hat sich als musikalischer Leiter für die selten gespielte "Parma-Fassung" von 1769 entschieden. Hier ist die Aufhebung der Akt-Struktur vorgesehen: Aus sieben Szenen besteht die Partitur, zäsurlos durchkomponiert. Tänze der vorangegangenen Wiener und der späteren Pariser Fassung werden in Salzburg effektbewusst hinzugefügt. Die Musiciens du Prince aus dem Fürstentum Monaco entfalten einen fein gewobenen, filigran gesponnenen Klangteppich. Gianluca Capuano wagt sich in dynamische Extremzonen vor, und der Chor mit dem klangvollen Namen "Il Canto di Orfeo" folgt ihm einsatzfreudig. Gar nicht nebensächlich ist die Nebenrolle der Euridice, weil die Französin Mélissa Petit in der aufwühlenden einzigen Dialogszene der Oper stimmlich und darstellerisch fulminant Akzente setzt.

Tänzerinnen und Tänzer in Glucks "Orfeo ed Euridice" | Bildquelle: SF/ Monika Rittershaus Tänzerinnen und Tänzer in Glucks "Orfeo ed Euridice" | Bildquelle: SF/ Monika Rittershaus Cecilia Bartoli darf als Orfeo mit Haut und Haar die Künstlerin sein, die Emotionen ins vokale Schaufenster stellt. Es gibt staunenswerte Momente, sobald sie hochexpressiv aufschreit. Wo sie Tonfolgen leise anstimmt und ruhevoll ausschwingen lässt, ist der von ihr sonst stets favorisierte Überdruck beim Singen angenehm reduziert. Bis in feinste Verästelungen, farblich minutiös abgestuft, durchdringt sie die Partie. Glucks Evergreen "Che farò senza Euridice" kommt hier überraschend "Vivace con disperazione", wie eine der originalen Vortragsanweisungen lautet. Das in der Regel mit dem Evergreen zu assoziierende "Larghetto"-Zeitmaß wird diesmal als Variante in der letzten Strophe nachgereicht. Jedenfalls ist damit das Dutzend voll: Cecilia Bartoli hält nun schon zwölf Jahre das Heft und die Noten der Salzburger Pfingstfestspiele in Händen. Unter den Ovationen des Publikums wurde ihr nach Vorstellungsende im Namen der Republik Österreich der Titel "Kammersängerin" verliehen.

Sendung: "Piazza" am 27. Mai ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Montag, 29.Mai, 01:31 Uhr

Hans Lauterfeld

Cecilia Bartoli und Christoph Willibald Gluck

Sie hat Gluck erst so richtig wieder in's Bewußtsein gerückt, quasi entdeckt, und ein tolle CD über ihn produziert: "Gluck Italian Arias" mit der Akademie für Alte Musik Berlin auf DECCA. Ein Erlebnis !

Sonntag, 28.Mai, 18:23 Uhr

glenz

imposante Vorstellung, die weibliche Darstellung des Orpheus ist gewöhnungsbedürftig

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