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Doku über Klassik in China Drei von 40 Millionen

Lang Lang sei Dank: Kein Land hat so viele Klavierschüler wie China. Die Konkurrenz ist riesig. Was das für die jungen Musikerinnen und Musiker bedeutet, zeigt der Dokumentarfilm "Chinas Klavierkinder", der am Sonntag auf arte ausgestrahlt wird. Eine unbedingte Empfehlung!

Zidi und sein Klavierlehrer | Bildquelle: Dave Tacon

Bildquelle: Dave Tacon

Technik, Eleganz und Klang, darauf komme es an, verkündet der achtjährige Zidi selbstbewusst. Zidi ist Profi. Zidi ist Pianist. Ein besonderes Talent, sagt sein Lehrer. Allerdings in einem Land, in dem Talente nicht rar sind. Spätestens der Erfolg von Lang Lang hat in China einen Hype ausgelöst. 40 Millionen Klavierschüler zählt die Volksrepublik, das lernt man aus dem Vorspann. Ansonsten hält sich die Dokumentation "Chinas Klavierkinder und der Traum von der großen Karriere" zurück mit Erklärungen oder Einordnungen.

In China ist Klavierspielen Familiensache

Alles, was wir bekommen, ist der Einblick in drei Leben. Drei Leben, an denen noch viel mehr Leben hängen. Denn auch wenn die Talente Zidi (8), Yinying (13) und Yu'ang (18) im Fokus stehen, man merkt schnell: Pianistin oder Pianist werden, das ist in China ein Familienprojekt. Eines, das mit viel Entbehrungen verbunden ist. Auch Trennungen. Man habe sich über das Klavierspiel des Sohnes entzweit, sagt Yu'angs Mutter über seinen Vater. Mehr erfährt man nicht.

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Piano Dreams (2022) | Official Trailer | MetFilm Sales | Bildquelle: MetFilm Sales (via YouTube)

Piano Dreams (2022) | Official Trailer | MetFilm Sales

Auch Yinying wohnt alleine mit ihrer Mutter. Shanghai ist schließlich teuer. Und teuer ist auch die Musikschule, auf die sie dort geht. Der Vater wohnt deshalb woanders, verdient das Geld, besucht die beiden nur ab und an. In China müssten heutzutage alle Kinder etwas Besonderes können, erklärt er bei seinem einzigen Auftritt. "Die Chinesen wollen, dass aus ihrem Sohn ein Drache und aus ihrer Tochter ein Phönix wird", sagt er und lacht.

Große Konkurrenz

Was das für die Kinder bedeutet, sieht man schon der Musikschule an, in der Zidi unterrichtet wird. Sämtliche Türen sind aus Glas. Alle stehen unter Beobachtung. Jeder wird mit jedem verglichen, ständige Konkurrenz. Während Yinying auf die Punkte ihrer letzten Klavierprüfung wartet, wappnet sich Zidi für sein nächstes "Piano Battle". Ein Duo eigentlich, aber getarnt als Zweikampf. Wer besser und schneller spiele, der sei der Sieger, erklärt Zidi mit ernster Mine. Sein Lehrer spricht derweil von kleinen Soldaten, die er in die Schlacht schicke.

Das Interessante an dieser Dokumentation: Diese recht befremdlichen Momente werden konterkariert durch Szenen, die zeigen, wieviel Selbstverständlichkeit das Musikmachen hier hat. Der Klavierlehrer trägt Sneaker und Bermudas, gegessen wird eh' neben dem Instrument, das Klavier ist ein Alltagsbegleiter. Auch wenn dieser Alltag in gewisser Weise extrem ist. Aufwachsen im Flaschenhals. Zu professionellen Musikerinnen und Musikern werden nämlich die wenigsten.

Die wenigsten kommen durch

Die besten Aussichten hat am Ende der Dokumentation der achtzehnjährige Yu'ang. Er darf in die USA, nach New York City, studieren an der der renommierten Manhattan School of Music. Ein Erfolg. Und eine Erleichterung. Und nicht nur für ihn. Freunde hätten sie immer wieder gefragt, wieso sie sich so ganz auf die Karriere ihres Sohnes fokussieren würde, erzählt seine Mama – hätten sie gefragt, wieso sie nicht einfach ihr Leben genießen würde. "Aber es war es wert, und manchmal bin ich mir selbst dankbar dafür, dass ich diese Strapazen auf mich genommen habe", erklärt sie und weint dabei. Und man weiß nicht so richtig, ob wirklich nur aus Dankbarkeit.

Infos zur Ausstrahlung

Die Dokumentation "Chinas Klavierkinder und der Traum von der großen Karriere" von Gary Lennon wird am Sonntag, 19. März, um 23:40 Uhr auf arte ausgestrahlt und ist danach in der Mediathek verfügbar. Für mehr Informationen klicken Sie hier.

Kommentare (2)

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Samstag, 18.März, 17:48 Uhr

Erstaunter

Da das Klavier in Europa entwickelt wurde...

...handelt es sich doch wohl um schlimme kulturelle Aneignungen, von denen hier so oft berichtet wird. Ich nehme überdies an, dass in China europäische Komponisten auf diesen Instrumenten gespielt werden, was diese Vergehen umso schlimmer macht.

Mittwoch, 15.März, 14:39 Uhr

Herta Winfold

Ungünstiges Bild

In Zeiten von zahllosen Übergriffen auf unsere Kinder durch Wüstlinge in Machtpositionen finde ich das Bild als äußert ungünstig, bzw. es impliziert etwas, was Sie u.U. nicht wollten.
Ich selbst unterrichte Klavier und frage die Schüler immer bevor ich ihre Hände berühre, um etwas zu zeigen. Umfassen wie auf dem Bild würde ich sie NIE.

Liebe Frau Winfold,

die Szene stammt aus der rezensierten Doku und verbildlicht eigentlich ganz gut das Verhältnis zwischen Zidi und seinem Lehrer. Deswegen belassen wir es dabei.

Herzlich
Tobias Stosiek

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