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Dirigent Klaus Mäkelä im Interview Zeigen und Schweigen

Er ist der Nachwuchsstar unter den Dirigenten: 27 ist Klaus Mäkelä erst. Und schon designierter Chefdirigent am Amsterdamer Concertgebouw. Momentan gastiert der Finne mit dem Orchestre de Paris in München. Im Interview mit BR-KLASSIK spricht er auch darüber, was einen guten Dirigenten ausmacht. Ja nicht zu viel erklären, meint Mäkelä. Das Ping Pong macht's!

Klaus Mäkelä | Bildquelle: © Mathias Benguigui / Pasco & Co

Bildquelle: © Mathias Benguigui / Pasco & Co

BR-KLASSIK: Klaus Mäkelä, in München dirigieren Sie Berlioz‘ "Symphonie fantastique" und Sibelius‘ Violinkonzert – lassen Sie uns erst über letzteres reden: Was macht diese Musik so typisch finnisch? Sind es diese krassen Kontraste oder ist es die unterschwellige Melancholie?

Klaus Mäkelä: Ich glaube, Sibelius ist vor allem deswegen so finnisch, weil er die kulturelle Identität Finnlands selbst so maßgeblich mitbestimmt hat. Er spiegelt natürlich viele Dinge, die wir in der Natur sehen und hören – aber das Tolle an seiner Musik ist doch, dass da so eine starke, persönliche und emotionale Botschaft drinsteckt. Er war sehr leidenschaftlich, sehr emotional und gegen Ende seines Lebens gewinnt er so eine große Klarheit. Und all das hören wir auch in seiner Musik, das Leben in seinen verschiedenen Ausprägungen. Und das in einem Land, das die Natur und ihre Ruhe sehr wertschätzt.

Von wegen nur Finne – Sibelius war Europäer

BR-KLASSIK: Ist das typisch finnisch? Oder nicht eher allgemein menschlich?

Klaus Mäkelä: Doch klar. Aber wir sind ja ein sehr kleines Land, nicht flächenmäßig, aber was die Einwohnerzahl angeht: 5,5 Millionen Menschen leben in Finnland. Und 3,5 Millionen Saunen gibt es. Das ist schon die Art von Leben, die man hier schätzt.

Aber wie gesagt: Wir dürfen nicht vergessen, dass sich Sibelius selbst sehr stark als zentraleuropäischer Komponist verstand. Er war natürlich auch in der finnischen Kultur verwurzelt, aber studierte auch in Berlin und Wien, hat gehört und gelesen, was seine Zeitgenossen geschrieben haben – und sich eben sehr verbunden gefühlt mit dieser Tradition, für die Komponisten wie Bruckner oder Strauss standen.

BR-KLASSIK: Sie sprachen von 3,5 Millionen Saunen – haben Sie auch eine?

Klaus Mäkelä: Natürlich [lacht], zwei sogar!

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Mäkelä über den Puls des Orchesters

BR-KLASSIK: Wenn man das Orchester als Organismus betrachtet – wo sitzt der Herzschlag und was wäre für Sie die Atmung?

Klaus Mäkelä: Also grundsätzlich sollte jede Note atmen. Ich bin ja in der glücklichen Situation, mit ganz außerordentlichen Orchestern zusammenzuarbeiten und immer entdecke ich da etwas Neues. Die Bläser beim Orchestre de Paris zum Beispiel. Ich hatte sowas in meinem ganzen Leben nicht gehört: sehr elegant und trotzdem wahnsinnig expressiv.

Und dann ist es auch so, dass in verschiedenen Stücken der Herzschlag oft ganz woanders sitzt. Oder einen anderen Rhythmus hat. Bei Sibelius ist er zum Beispiel sehr unregelmäßig. Und bei Berlioz, das ist so ein Stück, wo der Herzschlag durch das ganze Orchester wandert, immer wieder woanders auftaucht, und das ganz überraschend…

Klicktipp – Klaus Mäkelä im Porträt

Er ist jung – und sehr gefragt. Wieso reißen sich alle um Klaus Mäkelä? Hier geht's zu unserem Porträt.

BR-KLASSIK: Es wird ja viel geredet darüber, wie Alter und Qualität bei Dirigentinnen und Dirigenten zusammenhängen. Sie sind jetzt 27, sehr jung für einen Dirigenten. Was haben Sie für ein Verhältnis zu dieser Diskussion über das Alter?

Klaus Mäkelä probt mit dem Symphonieorchester des BR im Herkulessaal | Bildquelle: BR / Astrid Ackermann Klaus Mäkelä am Pult des BRSO | Bildquelle: BR / Astrid Ackermann Klaus Mäkelä: Ach, das hat man mich lange nicht mehr gefragt. Musikalisch gesehen, finde ich, gibt es sowas wie Alter nicht. Denken Sie an Herbert Blomstedt, immerhin schon Mitte Neunzig, der öffnet die Partitur immer noch so, als würde er sie zum ersten Mal aufschlagen. Ein Riesen-Vorbild. Und was wir auch vergessen: Viele der großen Dirigentinnen und Dirigenten haben sehr jung angefangen. Willem Mengelberg war zum Beispiel viel jünger als ich, als er am Concertgebouw übernommen hat. Also, junge Dirigenten sind kein so ganz neues Phänomen.

BR-KLASSIK: Sie haben schon Herbert Blomstedt erwähnt – der hat Ihnen etwa 70 Jahre voraus. Soviel haben Sie womöglich noch vor sich: Was ist das denn für eine Aussicht?

Klaus Mäkelä: Oh, so zu denken, finde ich wunderschön. Was für ein Leben wäre das! Stellen Sie sich das vor: Jeden Tag an den größten Meisterwerken feilen, in denen du immer wieder etwas Neues entdecken kannst. Das macht das Leben doch wahnsinnig reich, gibt ihm Tiefe.

Was lernt man von Jorma Panula?

BR-KLASSIK: Aus Finnland kommen ja sehr viele gute Dirigenten: was ist denn das Besondere an der Dirigierausbildung in Finnland? Hat das vor allem mit Jorma Panula zu tun?

Klaus Mäkelä: Sie haben recht, wir sind wirklich viele – und wir haben alle denselben Lehrer: Jorma Panula. Seine Methode ist eigentlich sehr einfach. Du hast immer ein Orchester vor dir, dirigierst nie nur ein Klavier, jede Übungseinheit wird gefilmt und danach siehst du dir an, was du gemacht hast. Und davon lernt man.

Außerdem ist Jorma Panula ein brillanter Pädagoge, er sieht ganz genau, was seine Schülerinnen und Schüler brauchen, sagt nie dasselbe. Und er fragt lieber als dass er Antworten gibt. Er bringt uns dazu herauszufinden, welche Art von Dirigent wir sein wollen. Aber natürlich gibt er dir auch handwerklich etwas mit, du hast einfach wahnsinnig viel in der Hand, wenn du von ihm kommst. Und das wichtigste: Er lehrt dich, den Musikerinnen und Musikern zu vertrauen. Sonst bekommt man auch kein Vertrauen zurück. Ein Dirigent sollte helfen, nicht stören, sagt er immer.

Je mehr man zeigt, desto besser.
Klaus Mäkelä

BR-KLASSIK: Fragen zu stellen ist ja auch etwas, was man mitnimmt in die Arbeit mit einem Orchester, oder? Ist es nicht wichtig, auch hier offen zu bleiben?

Klaus Mäkelä: Ja, am liebsten hab' ich es, wenn so eine Art von Ping Pong entsteht. Ich mache einen Vorschlag, die Musikerinnen und Musiker nehmen ihn auf und geben mir etwas zurück und dann bin ich wieder dran. Das ist ein wunderschönes Spiel. Und man sollte nicht so viel erklären. Je weniger man spricht und je mehr man zeigt, desto besser.

BR-KLASSIK: Dafür sind die Finnen ja angeblich auch berühmt, dass sie nicht so viel reden …

Klaus Mäkelä: Vielleicht, ja [lacht] …

Konzertinfo

Am 15. März ist Klaus Mäkelä mit der Orchestre de Paris in der Münchner Isarphilharmonie zu Gast. Auf dem Programm stehen Berlioz' "Symphonie fantastique" und Sibelius' Violinkonzert.

Sendung: "Leporello" am 14. März ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Dienstag, 14.März, 08:59 Uhr

Decker Inge

Klassikbeiträge

Danke für immer wieder interessante Beiträge, Kommentare und Empfehlungen für Rdf-Konzerte

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