BR-KLASSIK

Inhalt

Sängerin Astrud Gilberto ist tot The Voice of Ipanema

Mindestens ein Lied mit ihr kennt die ganze Welt: den Bossa-Nova-Song "The Girl from Ipanema". In einer Aufnahme von 1963 mit Astrud Gilbertos Gesang wurden das Lied und ihre Stimme weltberühmt. Nun ist Astrud Gilberto, Tochter einer Brasilianerin und eines deutschen Einwanderers, im Alter von 83 Jahren gestorben.

Astrud Gilberto | Bildquelle: picture alliance

Bildquelle: picture alliance

Ein trottender Rhythmus, eine sanft dahinwehende Melodie: Dieses Lied – und manche andere – wird man immer mit der Stimme von Astrud Gilberto verbinden. Der Komponist Antonio Carlos Jobim schrieb die Musik, der Dichter Vinicius de Moraes den Text – "The Girl from Ipanema" hieß es. Ipanema, das ist ein Stadtteil und ein Strand von Rio de Janeiro. Der Rhythmus und die Melodie, mit denen der dort geborene Komponist Antonio Carlos Jobim diesem Ort ein Denkmal setzte, gingen als "Bossa Nova" um die Welt, "die neue Welle". Und Astrud Gilberto war und blieb eine der Stimmen, die man zuerst mit dieser Musik verband. Eine ganz andere prägende Stimme dieser Musik war jene ihres früheren Ehemanns Joao Gilberto, der zu den musikalisch besonders herausragenden Figuren der Stilrichtung gehörte.

Astrud Gilberto gewann einen Grammy für den Ipanema-Song ...

Astrud Gilberto wurde am 30. März 1940 im brasilianischen Salvador da Bahia geboren. Sie hieß ursprünglich Astrud Evangelina Weinert. Ihre Mutter war die Brasilianerin Evangelina Weinert, ihr Vater der deutsche Einwanderer Fritz Weinert, ein Sprachlehrer und Kunstmaler. Bereits 1947 zog die Familie nach Rio de Janeiro, wo Astrud 1959 den Sänger und Gitarristen Joao Gilberto heiratete, dem sie später in die USA folgte, wo auch ihre berühmte Aufnahme des Songs "The Girl from Ipanema" entstand.

Das Lied war Teil des Albums "Getz / Gilberto", wobei der Nachname Gilberto in diesem Fall für den Ehemann Joao Gilberto stand. Astrud Gilberto sang auf diesem Album nur in zwei Stücken mit (das zweite war "Corcovado", ein langsames Stück, das dem Hausberg Rio de Janeiros gewidmet ist, jene Erhebung, auf der die berühmte Christus-Statue steht). Und doch war sie es, die zusammen mit Saxophonist Stan Getz 1965 einen Grammy für "The Girl from Ipanema" als "Single des Jahres" erhielt. Ihr Ehemann Joao Gilberto war auf dieser Single gar nicht zu hören, obwohl er im Studio auch gesungen hatte und auch in der über fünf Minuten langen Aufnahme auf der Langspielplatte zu hören war – er sang den portugiesischsprachigen Teil; doch für die kürzere Version der Single ließ der Produzent Creed Taylor den portugiesischen Teil einfach weg.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Astrud Gilberto, 1967 | Bildquelle: picture alliance

1965 • Astrud Gilberto • The girl from Ipanema

... dabei war sie als Sängerin ursprünglich gar nicht vorgesehen

Wäre es allein nach Joao Gilberto und Antonio Carlos Jobim gegangen, so die allgemein verbreitete Version, dann hätte die Welt die zarte und auf ungekünstelte Art anmutig klingende Stimme Astrud Gilbertos womöglich nie kennengelernt. Wie der Buchautor Ruy Castro ("Bossa Nova – The Sound of Ipanema. Eine Geschichte der brasilianischen Musik") aus einem Interview mit Stan Getz zitiert, wollten die beiden nicht, dass Astrud Gilberto auf dem Album vertreten war. Getz: "Sie war keine professionelle Sängerin, und ich wusste, dass sie eine Neigung hatte, die Töne zu fief zu intonieren. Aber als ich nach Übersetzungen der Texte fragte und sie mir 'Ipanema' vorsang, fand ich die englischen Worte sehr hübsch. Astrud klang gut genug, um sie aufzunehmen."

Sie klang sogar gut genug, um Hörerinnen und Hörer auf der ganzen Welt zu begeistern. Astrud Gilberto war die Stimme, die viele mit dem entspannt swingenden neuen Stil verbanden. Der zarte Hauch ihrer wie traumverloren klingenden Stimme war die perfekte Ergänzung des neuen Stils. In einem eigenen Interview widersprach Astrud Gilberto später allerdings der von Stan Getz erzählten Version; ihrer Schilderung zufolge habe ihr Ehemann Joao Gilberto sie sogar ermuntert, bei der Plattenaufnahme mitzusingen. Wie auch immer: Es war eine glückliche Fügung.

Nur einmal trat Gilberto in Brasilien selbst auf

Mit Stan Getz trat Astrud Gilberto 1966 auch bei den bedeutenden "Berliner Jazztagen" (heute "Jazzfest Berlin") auf, die damals der deutsche Jazzkritiker-Papst Joachim Ernst Berendt leitete. Von diesem Auftritt gibt es ein Album, das 2021 unter dem Titel "Live at Berlin Jazz Festival 1966" erschienen ist. Astrud Gilberto hattte in der Zwischenzeit vier eigene Alben gemacht und war zu einem Weltstar geworden. Der Komponist Quincy Jones hatte sie auch für eine Filmmusik geholt ("The Deadly Affair", 1966). Doch ihre Erfolgswelle ebbte allmählich ab.

Sehr produktiv war Astrud Gilberto die ganzen 1960er Jahre über, in den frühen Siebzigern komponierte sie auch eigene Stücke – doch bald wurde es stiller um diese leise Stimme. In den frühen 2000er Jahren zog sie sich ganz aus dem Musikgeschäft zurück; von 2002 datiert ihr offenbar letztes eigenes Album "Jungle". In Brasilien ist diese weltberühmte brasilianische Stimme, eigenen Äußerungen zufolge, übrigens nur ein einziges Mal aufgetreten, im Jahr 1965 – auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.

Sendung: "Leporello" am 6. Juni ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player